Holtenauer Geschichte

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Werner von Siemens und die
Schleswig-Holsteinische Erhebung

Siemens

Während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung gegen Dänemark in den Jahren 1848 bis 51 versuchten die Freischaren unter dem Kommando des bayrischen Majors von der Tann von Holtenau aus einen nächtlichen Angriff auf ein dänisches Blockadeschiff. Dazu schreibt Werner von Siemens in seinen Lebenserinnerungen:

Das Freicorps sammelte sich bei Holtenau, wo auch die Boots-Escadre organisiert wurde, die den nächtlichen Angrif ausführen sollte. Am Tage vorher fand auf dem Festungshofe eine Paradeaufstellung des Freicorps statt, die mir nicht viel Vertrauen auf das Gelingen des gewagten Unternehmens einflößte. Es fehlte den Leuten vielleicht nicht an kühnem Muthe, wohl aber an Disciplin und ruhiger Entschlossenheit. Von der Tann und sein Adjutant bemühten sich vergebens, das wilde Durcheinander in militärische Ordnung umzuwandeln. [...]
Die Boots-Escadre sollte Nachts um 11 1/2 Uhr in größter Stille und ohne jedes Licht die Festung passieren und dann gegen das Blockadeschiff zum Angriff vorgehen, wenn ein von der Festung gegebenes Signal bezeugte, daß das feindliche Schiff in gewohnter Ruhe verharre. Das Signal wurde rechtzeitig gegeben, es wurde aber etwa 1 Uhr, ehe die ersten Boote bei der Festung anlangten. Darauf vergingen nahezu zwei Stunden, ohne daß irgend etwas geschah, und endlich kam die ganze Bootsmenge ohne jede Ordnung und unter lautem Getöse zurück. Der »Admiral« hatte erst das Blockadeschiff nicht finden können und dann wollte er beobachtet haben, daß das Schiff alarmirt und mit Enternetzen versehen wäre, so daß ihm offenbar der geplante Angriff verrathen worden sei. Unter Verrathgeschrei kehrte die Expedition nach Holtenau zurück und löste sich bald darauf ganz auf. Am nächsten Morgen lag das Schiff an seiner gewohnten Stelle, und es war mit den schärfsten Fernrohren keine besondere Armirung gegen einen drohenden Angrif zu erkennen.
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Mit Hilfe von 200 Männern der Kieler Landwehr — eine Bürgerwehr — hatte Siemens auch die Festung Friedrichsort besetzt, denn diese stellte eine Bedrohung der Stadt Kiel dar, würde sie erst mit einer ausreichenden Zahl von Truppen besetzt werden. Die Einnahme der Festung erfolgte völlig unblutig, fand man doch weder Wachen, noch eine hochgezogene Zugbrücke oder geflutete Wassergräben vor — bestand doch die gesamte dänische Besatzung nur aus sechs alten Sergeanten und Feuerwerkern2.

Da die von Siemens befehligte Truppe immer mehr zusammenschmolz und weiterhin die Gefahr bestand, daß die Dänen mit ihrer weit überlegenen Marine versuchen würden, die Festung über See wieder einzunehmen, ließ er zur Abschreckung mit Schwarzpulver gefüllte und mit einer elektrischen Zündung versehene Fässer in der Förde als Minen versenken. Da dieses auch den Dänen zu Ohren gekommen war, die daher gesamte Förde für vermint hielten, versuchte während des ganzen Krieges kein dänisches Schiff einen Angriff auf den Kieler Hafen.

Zur Abschreckung beigetragen hat auch die durch einen Zufall ausgelöste Explosion einer auf der kaum befestigten verfallenen Landseite vergrabenen Mine. Siemens hatte eines der elektrischen Zündkabel bereits mit einer Batterie verbunden als der Winde das zweite auf einem Zweig abgelegte Kabel genau auf den richtigen Kontakt der Batterie fallen ließ. Es erfolgte daraufhin eine schwere Explosion:

Keine Toten - Gott sei Dank; nur einige Verletzte. Am schlimmsten erwischt es ausgerechnet den Militärarzt, der gerade die Zugbrücke passiert, als das Unglück geschieht. Samt Fuhrwerk stürzt er in den Graben; er hat erhebliche Quetschungen. – Der Posten auf dem Ravelin ist eine Weile bewusstlos, und der Koch hat starke Verbrühungen von der heißen Suppe, die sich über ihn ergießt. Der Sachschaden ist erheblich: Dachziegel abgedeckt, Fensterscheiben – selbst noch in Laboe und Holtenau – zersprungen, Türen eingedrückt. Nebenwirkung: In Kopenhagener Zeitungen ist zu lesen, eine der See-Minen habe die Festung zerstört. 3

Siehe auch:

© Bert Morio 2016 — Zuletzt geändert: 02-06-2019 09:52

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  1. Siemens, Werner von: Lebenserinnerungen. Berlin 1892, S. 66f. 

  2. Dem Rang des Feuerwerkers entsprach in der Armee der Rang des Feldwebels. 

  3. http://www.kiel-friedrichsort.de/festung/anekdoten.php [zuletzt gesehen: 24.11.2016.]