Während man in den ersten 50 Jahren des Bestehens des Kaiser-Wilhelm-Kanals beim Wort Sicherheit
in erster Linie an
Schiffskollisionen oder Beschädigungen der Schleusenanlagen und den damit einher gehenden
Behinderungen des Schiffsverkehrs dachte, gewann seit den 1970er Jahren der Umweltschutzgedanke
auch für die Kanalanrainer immer mehr an Bedeutung, wobei hier in erster Linie an Unfälle mit
Chemietankern oder Atomfrachtern bzw.
Kriegsschiffen mit atomarer Bewaffnung gedacht wurde. Denn neben den für jedermann sichtbaren in
auffälligen Rot gestrichenen Chemie-Tankern wird der Kanal auch regelmäßig von Schiffen passiert,
die atomare Ladung mit sich führen.
So protestierten im Jahre 1988 Atomkraftgegner mit einer Blockade der Holtenauer Schleusen gegen den französischen Atomfrachter
Borodine
, der in ungefähr 14tägigen Abständen Uranhexafluorid von Frankreich in
die Sowjetunion transportierte. Die Atomkraftgegner machten darauf aufmerksam, daß die
Atomfrachter nicht in eine der so genannten Gefahrgutklassen eingestuft und auch nicht besonders
kenntlich gemacht wurden.
Am 20. März 2001 kam im Kanal zu einem Zusammenstoß zwischen dem mit schwach radioaktiven
Stoffen beladenem russischen Frachter Bugulma
und der deutschen Stadt
Papenburg
zwischen den Kanalweichen Königsförde und Groß
Nordsee, wobei die Bugulma
im Bugbereich so schwer beschädigt wurde, daß sie in
Richtung Brunsbüttel abgeschleppt werden mußte.
Ich habe das Gefühl, daß das Thema Atomtransporte bzw. Kriegsschiffe — möglicherweise mit Nuklearwaffen an Bord — in den letzten Jahren etwas aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden ist.
Die gleichen Fragen stellen sich natürlich auch beim Thema Chemikalientransporte, die regelmäßig den Nordostseekanal passieren. Sie gehören quasi zum normalen Bild.
Ein weiteres zunehmendes Problem dürfte der Feinstaub bzw. Ruß sein, den die immer größer werdenden Schiffe bei ihrer Fahrt durch den Kanal ausstoßen — für mich immer wieder an den Fenstern unseres Büros gegenüber den Schleuse zu erkennen.
Abb.: Qualmender Frachter an der Kanalweiche vor Knoop.
Die Menge an Ruß, die sich dort innerhalb weniger Tage ablagert, erinnert mich an die Zeiten meiner Kindheit, als noch aus den Wiker Schornsteinen bei ungünstigem Wind große Mengen nach Holtenau verweht wurden. So wurde es manchmal schwierig, die Weißwäsche — wie damals üblich — zum Trocken im Garten aufzuhängen.
In der Nord- und Ostsee wurden 2005 insgesamt 47.244 Tonnen Schwefeloxid, 138.354 Tonnen Stickoxid und 3265 Tonnen Feinstäube von Schiffen in die Luft gepestet. Schiffe setzen Luftschadstoffe in die Atmosphäre frei, die noch 1000 km landeinwärts wirksam werden. Erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Küstenbewohner und Umwelt sind unausweichlich und schon 2003 durch die WHO (World Health Organisation) untersucht worden. So führt die hohe Feinstaubbelastung, die zu 20-30% auf Schiffsemissionen zurückzuführen ist, nach den WHO-Berechnungen unter anderem zu einer Reduktion der Lebenserwartung von 1-2 Jahren und zu ca. 100.000 Todesfällen im Jahr.
© Bert Morio 2019 — Zuletzt geändert: 03-29-2021 17:56
_______
**