Kaiser-Wilhelm-Kanal(KWK)
Der im internationalen
Sprachgebrauch auch Kiel Canal
genannte Nord-Ostsee-Kanal trug diesen Namen von
1895 bis 1948, bezeichnet nach Kaiser
Wilhelm I., zu dessen Regierungszeit der Kanalbau begonnen wurde.
Abb.: Postkarte mit dem ursprünglichen Kanalverlauf. Westlich Holtenaus ist noch der nach Norden weisende Kanalbogen zu erkennen, der während der Kanalerweiterung 1907-14 begradigt wurde. Die abgebildete Dankeskirche hat noch ihren ursprünglichen hohen Kirchturm.
Durch den Kanal wurde die gefahrvolle Umrundung Skagens an der Spitze Jütlands unnötig und der Seeweg um über 400 Seemeilen verkürzt. Er löste damit den Eiderkanal ab, den nur kleinere Schiffe passieren konnten.
Abb.: Kriegsschiffe auf dem Kaiser-Wilhelm-Kanal um 1895. Selbst für diese eher kleineren Schiffstypen (wahrscheinlich Torpedoboote) wirkt der Kanal bereits zu eng.
Bereits während des deutsch-dänischen Krieges gab es seitens Preußens Überlegungen über eine neue Verbindung zwischen Nord- und Ostsee, nicht zuletzt auch in Hinblick auf die Möglichkeit einer deutschen Flotte, in kurzer Zeit zwischen beiden Meeren passieren zu können.
Die Bedeutung des Kanals.
Der Kaiser-Wilhelm-Kanal ist für den Schiffsverkehr und für die Landesverteidigung von großer Bedeutung. Da Dampfer die Fahrt durch denselben in 10—12 Stunden vollenden, wird der Weg zwischen den Hafenstädten der Nord- und Ostsee durchschnittlich um 30 Stunden gekürzt; Segelschiffe erreichen ihr Ziel etwa 3 Tage früher. Das bedeutet eine erhebliche Ersparnis an Zeit und Kohlenverbrauch, wodurch auch die Fracht für die Waren billiger wird. Zudem entgehen die Schiffe den Gefahren, welche ihnen an der Küste Jütlands drohen. Der Kanal verbindet die beiden Kriegshäfen Kiel und Wilhelmshaven auf dem kürzesten Wege miteinander und macht es möglich, daß im Kriegsfalle die in der Nord- und Ostsee stationierten Flotten in kurzer Zeit (13 — 14 Stunden) und ungehindert, je nachdem es nötig wird, in einem der genannten Meere sich vereinigen können.
1854 begann der Bau des preußischen Kriegshafens Wilhelmshafen. Großadmiral Tirpitz plante nicht zuletzt im Hinblick auf die aufkommenden kolonialen Bestrebungen den Aufbau einer Deutschen Kriegsflotte. Dies machte einen neuen Kanal umso dringlicher.
Abb.: Der 1902 in Dienst
gestellte Große Panzerkreuzer SMS Prinz-Heinrich
unter
der Levensauer Hochbrücke. Man erkennt, wie schmal das
Fahrwasser für die großen Kriegsschiffe geworden war.
Preußische Militärs (u. a. der Generalstabschef Helmut von Moltke
in seiner Rede gegen den Kanalbau
) sprachen sich
auch noch nach der Reichsgründung 1871 gegen den Bau aus, da sie
seine militärstrategische Bedeutung in Frage stellten und
verhinderten damit das Projekt vorerst. Die beim Heer
angesiedelten Gegner eines Kanalbaus wollten die benötigten Gelder
lieber in die Stärkung des Landheeres investieren. Gleichzeitig
war man der Ansicht, dass der Kanal in den Wintermonaten zu oft
zufrieren würde, wobei man bei dieser Vorstellung wohl von den
Erfahrungen mit dem Eiderkanal ausging, wo die Schifffahrt in den
Wintermonaten ruhte.
Anders als beim Eiderkanal sollte der neue Kanal im Westen nicht in die Eider, sondern bei Brunsbüttel in die Elbe münden. Der Hamburger Reeder und Initiator des neuen Kanalprojektes Hermann Dahlström war in seinem Vorschlag von 1878 von einer Aktionengesellschaft unter Beteiligung des Deutschen Reiches ausgegangen und hatte daher auch den ökonomischen Aspekt berücksichtigt. Ökonomisch wäre es günstiger gewesen, wäre der Kanal bei Eckernförde in die Ostsee gemündet. Da jedoch Kiel zum Haupthafen der kaiserlichen Marine wurde, gab es stichhaltige Gründe für diesen Plan, auch wenn es finanziell günstiger geworden wäre, den Kanal bei Eckernförde statt in Kiel münden zu lassen.
Großadmiral Tirpitz ging daher auch von einer alleinigen Finanzierung des Kanalbaus durch das Deutsche Reich aus. So begann schließlich der Kanalbau, auch wenn es seitens des Generalstabes Kritik an der strategischen Bedeutung des Projektes gab.
Abb.: Der Hamburger Reeder Herrmann Dahlström legte 1878 eine Schrift über die Ertragfähigkeit eines Schifffahrtskanals vor. Er wollte den Kanal durch eine Aktiengesellschaft finanzieren, an der auch das Kaiserreich beteiligt sein sollte.
Abb.: Der deutsche Kaiser Wilhelm I. war einer der wichtigsten Befürworter des Kanalbaus. So ließ er es sich trotz seines hohen Alters nicht nehmen an der Grundsteinlegung für den Kanalbau in Holtenau teil zu nehmen.
Nach Gründung des Kaiserreichs 1871 gewann das Kanal-Projekt erst
1878 wieder neuen Schwung durch die Initiative des Hamburger
Reeders Dahlström und des Wasserbauinspektors Boden, die einen
Plan vorlegten, der sich mit der Ertragfähigkeit eines
schleswig-holsteinischen Schiffahrtskanals
befaßte.
Abb.: Der Kanalquerschnitt von 1895.
Über die strategische Bedeutung
des neuen Kanals wurde in der Öffentlichkeit anscheinend nur an
zweiter Stelle gesprochen, eher wurde die Sicherheit der
Schifffahrt in den Vordergrund gestellt, wie es auch der folgende
Auszug aus der Gartenlaube
aus dem Jahr 1889
deutlich macht:
Der Handelsmarine wird der neue Kanal einmal eine größere Sicherheit der Fahrt und dann eine bedeutende Abkürzung derselben bringen. In der Bauhütte bei Holtenau hängt eine Karte, auf welcher an der ganzen Küste von Nordjütland mit schwarzen, dichtgesäeten Punkten die Stätten aller Schiffsunfälle von 1858 bis 1885 angegeben sind in geradezu erschreckender Anzahl. Es sind im ganzen nicht weniger als 6316, jährlich im Durchschnitt 226 mit einem Gesammtwerth an verlorenen Schiffen und Ladungen von 14 Millionen Mark! In den Jahren 1878 bis 1881 gingen dort an deutschen Schiffen durchschnittlich jährlich 18 mit einem Versicherungswerth von 700 000 Mark – ohne die Ladung! – unter. Die "Jammerbucht" bei Skagen ist ein Schrecken der Seeleute und eines der verrufensten Küstengewässer auf Erden. Auch unsere „Undine“ ging da 1884 verloren mit jenem berühmten, durch die tosende Sturmbrandung donnernden Hoch auf den Kaiser.
Reichskanzler Otto von Bismarck konnte sich schließlich
durchsetzen und Wilhelm I für die Kanalidee gewinnen. 1883 ergeht
seitens des Kaisers der Auftrag, Beratungen über den Bau eines
Kanals mit den für die Flotte notwendigen Maßen aufzunehmen und
1886 wurde das Gesetz betr. die Herstellung des Kanals
wurde durch Kaiser Wilhelm I. unterzeichnet:
Wir Wilhelm,
von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:
$.1.
Es wird ein für die Nutzung durch die deutsche Kriegsflotte geeigneter Seeschiffahrtskanal von der Elbmündung über Rendsburg nach der Kieler Bucht unter der Voraussetzung hergestellt, daß Preußen zu den auf 156.000.000 Mark veranschlagten Gesammtherstellungskosten desselben den Betrag von 50.000.000 Mark im Voraus gewährt. […]
Die Zahl der am Kanalbau Beschäftigten lag zu Beginn bei 3.000 Mann und stieg bis 1892 auf 8.900 an. Neben Deutschen war auch ein nicht geringer Teil der Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben, hauptsächlich aus Polen, Rußland und Italien. Es wurde neben der reinen Menschenkraft die damals modernste Technik eingesetzt: speziell für den Kanalbau entwickelte Eimerkettenbagger, schwimmende Eimerkettenbagger und Lorenbahnen zum Transport des Aushubs.
Abb.: Kanalbau auf der Höhe von Knoop. Wie auf der Westhälfte des Kanalbettes gab es auch im Gebiet des Eiderkanals viele Schwierigkeiten zu überwinden, da der Schiffsverkehr auf dem alten Kanal weiterlaufen sollte und man den alten Kanal auch für den Transport beim Kanalbau nutzen wollte. Es bedurfte daher einer komplexen Organisation der einzelnen Bauphasen und -abschnitte. Ja, es wurden teilweise die alten Eiderkanalschleusen wieder instand gesetzt oder erweitert.
Gleichzeitig gab es für die am Bau beteiligten Unternehmer genaue Bestimmungen hinsichtlich ihrer Arbeiter, die ein Mindestalter von 17 Jahren haben mußten bzw. bei einem Alter ab 15 nur in Begleitung ihrer Väter zugelassen waren.
Abb.: Bau des Kanals bei Grünthal. Es wurde dabei auch die damals modernste Technik eingesetzt. Wie bereits ein Jahrhundert zuvor der Eiderkanal galt auch der Kaiser-Wilhelm-Kanal als ein technisches Weltwunder.
Als Arbeiterunterkünfte wurden an der Baustrecke entlang mehrere Barackenlager errichtet und dort wurde dann auch für die Verpflegung gesorgt. Diese Lager wurden durch Offiziere geleitet und nach militärischem Vorbild organisiert. Neben der medizinischen Versorgung war auch die seelsorgerische Betreuung der Arbeiter durch Geistliche geregelt. Hier liegt auch die Keimzelle der Holtenauer Kirchengemeinde begründet, die sich im Zuge des Kanalbaus von der Dänischenhagener Kirchengemeinde abspaltete.
Die Grundsteinlegung wurde am 3. Juni 1887 durch Kaiser Wilhelm I (1797 - 1888) vollzogen. In der Bauphase von 1887 bis 1895 waren bis zu 8.000 Menschen am Kanalbau beteiligt und es wurden ca. 80 Millionen m² Erdreich bewegt.
Obwohl der neue Kanal im Gegensatz zum Eiderkanal ein reiner
Durchstichkanal war, d. h. es keine Höhen zu überwinden gab,
schotteten zwei Schleusen den Kanal
vor den Schwankungen des Wasserstandes ab. Schiffe mit bis zu 135
m Länge, 20 m Breite und 8 m Tiefgang konnten fortan den neuen
Kanal befahren. Wegen der Brücken
betrug die Mastenhöhe 40 Meter. Die Schlußsteinlegung am 21.
Juni 1895 durch Kaiser Wilhelm II vollzogen. Die Bausumme betrug
156 Millionen Goldmark. In der Drei-Kaiser-Halle
des Holtenauer Leuchtturms wurde dem
Kanalbau und den während seiner Bauzeit regierenden drei deutschen
Kaisern gedacht.
Schließlich hatte der Kanal eine Länge von 100 km, ein Breite von 67 Metern und eine Tiefe von 9 Metern. Es wurden zwei Hochbrücken (Grünenthal und Levensau) mit einer Durchfahrtshöhe von 42 Metern errichtet, dazu kamen weitere 4 Dreh- und Schwimmbrücken (u. a. eine Prahmdrehbrücke in Holtenau) sowie 14 Kanalfähren. In jenem Jahr hatte Holtenau gerade 1.028 Einwohner.
Abb.:
Schlußsteinlegung bei den Eröffnungsfeierlichkeiten am 21. Juni
1895 durch Kaiser Wilhelm II. In Holtenau wurde eine besondere
Festhalle in Form der Fregatte Niobe
errichtet.
Zum Dank für das gute Gelingen des Kanalbau-Unternehmens wurde in
Holtenau hoch über dem Kanal die Canal-Dankeskirche
errichtet, denn das ganze Bauvorhaben war bestens durchorganisiert
und forderte im Vergleich zum Bau
des Eiderkanals nur wenige Opfer ... [mehr]
Abb.: Schleppzug auf dem Kaiser-Wilhelm-Kanal. In den ersten Jahren seines Bestehens wurde der Kanal noch von vielen motorlosen Frachtschiffen passiert, die dann in Schleppverbänden durch den Kanal gezogen wurden. Man sieht auch die offene Pontonbrücke bei Holtenau, den Vorläufer der Prinz-Heinrich-Brücke.
Der Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals fand in einer Phase drastischer
Umbrüche im Kriegsschiffbau statt, denn diese wurden aufgrund des
Trends zu überschwerer Artillerie immer größer, um diesen
Geschützen noch eine stabile Plattform bieten zu können. Es
dauerte nur wenige Jahre, bis die Planer des Kaiser-Wilhelm-Kanals
einsehen mußten, dass die damals zugrunde gelegten Dimensionen des
Kanals mit der Entwicklung im Kriegsschiffbau nicht mehr mithalten
konnten. Großbritannien hatte unter dem Ersten Seelord Admiral
John Fisher nach der Jahrhundertwende und nach den Erfahrungen der
Seeschlacht von Tsushima zwischen Japan und Rußland damit
begonnen, das Konzept des all big gun one caliber
battleship
umzusetzen und 1906 die revolutionär neue
HMS Dreadnought
in den Dienst gestellt.
Der Kanal war inzwischen einfach für solche Schiffe zu klein geworden und so machte man sich bereits 1907 wieder an die Arbeit um den Kanal zu erweitern — das war jedoch nur die erste von mehreren Kanalerweiterungen. [Weiter zum Nordostsee-Kanal … ]
© Bert Morio 2020 — Zuletzt geändert: 22-03-2020 09:51