Holtenauer Geschichte

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Motoren-Werkstatt Christian Stark

Direkt neben dem Haus von Schiffsausrüster Hermann Tiessen lag die im Eiswinter 1928/29 gegründete "Motoren-Werkstatt Christian Stark" am Tiessenkai, wo sich auch das Wohnhaus der Familie befand. Viele der den Holtenauer Hafen oder den Kaiser-Wilhelm-Kanal anlaufenden Schiffe ließen hier die nötigen Reparaturen ausführen.

Abb.: Christian Stark (22.06.1903 - 02.10.1975) in seiner Werkstatt. (Die Photographie wurde mir von der Familie Stark zur Verfügung gestellt.)

Den folgenden Text hat mir dankenswerterweise die Familie Stark zur Verfügung gestellt:

Die Geschichte der Firma Motorenwerkstatt Christian Stark in Kiel Holtenau

Im Eiswinter 1928/29 machte sich ein junger Motorenschlossergeselle mit seiner Werkzeugkiste in der Hand auf den Weg von Heikendorf nach Holtenau. Er nahm nicht den üblichen Weg um die Hörn herum, sondern überquerte die Kieler Förde auf dem kürzesten Weg: Er ging über das Eis der zugefrorenen Kieler Förde.

Abriß des LagersAbb.: Abriß des Lagers.

Krischan Stark hatte davon gehört, daß viele auch ausländische im Eis eingefrorene Küstenmotorschiffe päckchenweise im Schutzhafen Am Kai in Holtenau festgemacht hatten und nicht weiterkamen. Es bot sich die große Gelegenheit, die Liegezeit der Kümos für Reparaturen zu nutzen. Geschäftstüchtig und selbstbewußt wie der junge Christian "Krischan" Stark war, erkannte er die Zeichen der Zeit und bot seine Dienste den Kapitänen und Reedern direkt vor Ort an. Er selbst hatte eine Schlosserausbildung auf der Rostocker Howaldtwerft absolviert und später seine Meisterprüfung im Maschinenbauhandwerk am 24. Oktober 1934 in der Handwerkskammer zu Altona mit der Note gut bis sehr gut abgeschlossen.

Abriß des Lagers

Abb.: Abriß des Lagers.

Er erkannte schnell die Notwendigkeit zur Gründung einer Schiffs­motoren­reparaturwerkstatt. Nachdem sein Sohn Karl-Heinz Christian am 27. März 1929 als drittes Kind nach seinen Töchtern Ingeborg und Ursula geboren wurde, blieb Krischan Stark gleich Am Kai und gründete am 01. April 1929 seine Motorenwerkstatt für Schiffsmotoren. Die erste Werkstatt befand sich auf einem Bauernhof in einer Scheune in der Kanalstraße 75, die er von Johannes Tiess übernahm. Vor Johannes Tiess war das Gebäude von der Firma de Vries, die ein kleines Schiffsausrüstungsgeschäft betrieb, belegt. Unten in der Scheune richtete sich Krischan Stark eine kleine Werkstatt ein, oben wohnte die 5-köpfige Familie.

Mit seinem Können und Wissen um den Schiffsmotorenbau und deren Reparaturen wurde er sehr schnell in Norddeutschland und auch in Dänemark, Schweden, England und Holland bekannt. Mit "Plattdeutsch" konnte man sich trotz der unterschiedlichen Sprachen gut verständigen. Schon bald wurde die Werkstatt zu klein. Krischan Stark baute auf vom Kanalamt gepachteten Grundstück überwiegend in Eigenleistung Am Kai 10 neben dem Schiffsausrüster Hermann Tiessen 1931/32 ein neues Gebäude, welches heute noch existiert. Dazu stellte er den Maurer Rudolf "Rudi" Wagner in seine Firma ein, der viel später mit seiner Unterstützung in Holtenau eine Baufirma gründete. "Ik hev em dat Muern bibröcht" meinte Krischan Stark später. Das Holzgebäude der Firma Zerssen & Co. mußte dafür weichen. Auch in dem neuen Gebäude wohnte die Familie im Obergeschoß, das Erdgeschoß diente nun als größere Werkstatt.

Richtfest 1931Abb.: Richtfest 1931.

Der Reparaturbetrieb nahm einen rasanten Aufschwung, so daß nun auch Mitarbeiter einzustellen waren. Bald waren es 16 Gesellen und Lehrlinge. Schnell erwies sich auch die neue Werkstatt wieder als zu klein. Es folgten daher 1935 als Erweiterung der Firma hinter dem Gebäude ein Werkstattanbau und 1937 daneben ein Büroanbau. 1939 wurde der Laden sowie der Schuppen vom Schiffshändler Hartig Am Kai 11 erworben, 1941 die Hoffläche zusätzlich als Werkstatt bebaut. Zu dieser Zeit arbeiteten sieben Tage die Woche etwa 40 Mitarbeiter Tag und Nacht rund um die Uhr. Nach dem Krieg erwarb Krischan Stark noch die damalige Baracke der Überseelotsen, die während des Krieges zwischen Werkstatt und Seemannsheim errichtet wurde, als Lager, Elektrowerkstatt und für Sozialräume. Er pachtete nunmehr vom Kanalamt den gesamten Hofplatz mit aufgestellten Baracken für die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen.

Während des zweiten Weltkrieges vereinnahmten ihn die Nazionalsozialisten. Er wurde vom Wehrdienst befreit, mußte aber außer seinen normalen Schiffsreparaturen nun auch die am Leuchtturm installierte FLAK-Stellung sowie die Scheinwerferstellung ständig instand halten, andernfalls drohte die Enteignung seines kleinen Betriebs. Die Wehrmacht stellte ihm entsprechende Maschinen und Betriebsmittel zur Verfügung, aber kommandierte auch regelmäßig etwa 8 bis 10 Soldaten ab, die sich von Krischan Stark handwerklich ausbilden lassen mußten. Es entstand weiterer Platzmangel in der Werkstatt, so daß diese erneut erweitert sowie auch Lagerräume angebaut werden mußten. So entstanden, wie oben bereits erwähnt, weitere Betriebsteile auf dem Hof des vom Kanalamt gepachteten Grundstücks, unter anderem das erworbene Gebäude und die Lagerhalle des Schiffsausrüsters Hartig sowie eine Dreherei. Außerdem mietete Krischan Stark noch ein Zimmer beim Hafenaufseher, der nebenan sein Dienstgebäude hatte. Kurz vor Kriegsende, als die Soldaten abzogen, überließ ihm der Kommandeur mit den Worten: "Vielen Dank für die Zusammenarbeit, alles Gute und Tschüß" die gesamte beigestellte Mechanikerwerkstatt sowie Drehmaschinen, Bohrmaschinen und Werkzeuge.

Christian Stark und Enkelkinder

Abb.: Christian Stark und Enkelkinder.

Krischan Stark stellte zahlreiche Kriegsvertriebene in seiner Werkstatt ein und bot in seinen Räumen, die hergerichtet wurden, auch Unterkunft für die Heimatvertriebenen an. Außerdem stellte er einen Teil seines Grundstücks in der Immelmannstraße 10, welches er auch später an die SHELL AG vermietete, die dort viele Jahre eine Tankstelle betrieb, für den Bau von behelfsmäßigem Wohnraum zur Verfügung. Ihm kam entgegen, daß ihm die schottische Einheit der Besatzungsmacht England, die in Holtenau stationiert war, sehr wohlgesonnen war und er seinen Betrieb praktisch ohne Unterbrechung auch in ihrem Interesse fortführen durfte.

In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte sich die Küstenmotorschifffahrt wegen des großen Nachholbedarfs schnell weiter, so daß auch der Bedarf an Reparaturen zunahm. Bereits 1950 baute Krischan Stark auf Wunsch der Schifffahrtsverwaltung des Kanalamts Kiel zusammen mit der englischen Schiffsmaklerei United Baltic Corporation auf dem Torbunker der Südschleuse ein großes Büro- und Lagergebäude. Eine ausländische Firma durfte damals kein Eigentum erwerben, also baute die Firma Stark auch aufgrund der freundschaftlichen Beziehungen zu den Engländern. Die obere Etage wurde an die UBC vermietet, die untere selbst genutzt, darüber hinaus weitere Lagerräume errichtet. Die Außenstelle der Firma Christian Stark wurde durchgehend Tag und Nacht besetzt, um durchfahrende Schiffe jederzeit mit Ersatzteilen, Maschinenöl (z.B. Wisura), Werkzeugen, Pumpen, Elektroanlagen und -motoren, Batterien (Varta, Delta), Filtern (MANN, Hengst), Farben, Lacken (Flügger) sowie vielen schiffsrelevanten technischen Einzelteilen und Komponenten beliefern zu können. Darüber hinaus erfolgte noch die Vermietung von Räumen an die Seelotsen. Später wurde das Gebäude an die UBC verkauft.

Außer um seine Familie und seinen Betrieb kümmerte sich Krischan Stark besonders in schweren Zeiten um seine Mitmenschen und half, wo er konnte. So beschaffte er 1959 zusammen mit Klaus Grimm einen alten Hühnerstall aus Friedrichsort, um ihn als Kiosk für den aus Danzig vertriebenen und durch Kinderlähmung behinderten Herbert Torsten herzurichten. Zuvor hatte er ihn davon überzeugt, daß man Am Kai Zeitungen, Süßigkeiten und Eis an die Seeleute verkaufen kann. Herbert Torsten wurde in Holtenau und besonders Am Kai jahrelang eine bekannte Persönlichkeit.

Nach dem 2. Weltkrieg hatte Krischan Stark auch bei der Firmengründung von Walter Hecker, Busreisen Holtenau, entscheidend geholfen, indem er zunächst Walter Hecker bei sich anstellte und ihm somit Arbeit als Fahrer verschaffte. Krischan Stark verfügte in Holtenau und auch in Kiel als einer der ganz wenigen über Fahrzeuge, mit denen Walter Hecker beispielsweise Lotsen und Kanalsteuerer (ein Bus, den sie "brauner Bomber" nannten, wurde extra angemietet und mußte zu jeder Zeit Tag und Nacht zur Verfügung stehen) bis nach Brunsbüttelkoog oder Geesthacht und umgekehrt an verschiedene Einsatzorte fuhr. Ein weiterer Kleinbus wurde übrigens aus einem auf der Straße herumstehenden Armeefahrzeug der britischen Besatzer durch Verlängerung und Erweiterung um vier Sitze zu einem 8-Sitzer umgebaut. Der Wagen erreichte anschließend eine Geschwindigkeit von 95 Meilen und wurde daher "Fliegender Sarg" genannt. Somit konnte das Transportangebot erweitert werden. Unter anderem nutzten der TuS Holtenau und der Polizeisportverein Kiel die Busse, TuS Holtenau sogar für eine Fahrt der Fußballer in die DDR. In einem heißen Sommer wurden die Kinder der Volksschule Holtenau wegen des mangelnden öffentlichen Personenverkehrs kostenlos zum Falckensteiner Strand gebracht und abends wieder abgeholt. Krischan Stark meinte, die Kinder müßten bei dieser Hitze unbedingt die Möglichkeit zum Baden haben. Dieser Service gefiel der Kieler Verkehrs-AG gar nicht und setzte ein Verbot zum Leidwesen der Schulkinder durch.

Wegen der starken Transportnachfrage wurde ein weiterer Bus der Marke MAN angeschafft, der beispielsweise die "Niederdeutsche Bühne", die "Theatergruppe der Landfrauen" oder auch Geologen, die den Bus für eine wissenschaftliche Fahrt nach Griechenland charterten, und viele andere als Fahrgäste zu verzeichnen hatte. Das Stark'sche Busunternehmen wurde später seinem Fahrer Walter Hecker als Starthilfe für seinen neu gegründeten Busbetrieb in Knoop übergeben.

Außer der Starthilfe für den Maurer Rudi Wagner und Walter Hecker erhielt auch Erwin Gienke Unterstützung. Als Volontär fand er zunächst eine Beschäftigung in der Motorenwerkstatt, um später den Betrieb der Friedhofsgärtnerei in Holtenau zu übernehmen. Zahlreiche von Krischan Stark ausgebildete Lehrlinge und Gesellen schlossen ihre Handwerksprüfungen mit Auszeichnung ab, bildeten sich als Techniker, Ingenieure oder Schiffspatentinhaber weiter und machten in anderen Unternehmen ihren erfolgreichen Weg. Reedereien fragten ständig an, ob es gute Maschinenschlosser gibt, die als Maschinisten auf ihren Schiffen arbeiten wollen. Ein Reeder meinte einmal, daß der Elektriker Egon Büchler unsterblich bleiben muß, so einen legendären Ruf hatte er sich ebenso erworben wie Alois Heger, Sohn Karl-Heinz Stark und der Chef Krischan Stark selbst. Und sollte es doch so sein, "so gehört er nicht unter die Erde, sondern ausgestopft ins Schifffahrtsmuseum".

1959 entschloß sich Krischan Stark, ein weiteres Firmengebäude zu bauen. Am Kai 12 wurden alte Lagerbauten abgerissen und eine neue, große Werkstatt mit Wohnungen für Mitarbeiter (war Am Kai aber nicht erlaubt!) überwiegend wieder in Eigenleistung gebaut. Ein aus einem alten Schiffsmast mit Ladebaum und Decksmotor selbstgebauter Kran, eingerammt in den Boden des späteren Innenhofs, übernahm die schweren Hebearbeiten. Nach Fertigstellung erfolgte aber nur kurzzeitig die Eigennutzung, bei nun stetig abnehmender Auftragslage konnte das Gebäude nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Die Küstenschifffahrt begann durch staatliche Abwrackprämien und Verschrottung langsam zu sterben, ein Vorgang, den Krischan Stark Anfang der 70er Jahre bereits vorhergesehen hatte und sich nach Alternativen umsah, die aber nicht realisiert wurden (z.B. in der Landwirtschaft). Eigner von kleineren Küstenmotorschiffen konnten nicht mehr gegen die Konzentration auf größere Reedereien wettbewerbsfähig bleiben und nahmen die Prämien dankend an.

Der hafennahe Standort erwies sich aber als vorteilhaft, so daß das gesamte Gebäude an die Motorenwerke Mannheim MWM, die in Kiel die Instandhaltung von Marinemotoren der Schnellboote übernommen hatte, verpachtet werden konnte. Später übernahm die Firma Deutz aus Köln die Motoren-Werke Mannheim und setzte das Pachtverhältnis fort.

Nach dem Tod des Firmengründers Christian "Krischan" Stark am 2. Oktober 1975 übernahm sein Sohn Karl-Heinz Stark die Firma, der seit 1941 zwölfjährig als Lehrling und seit 1945 sechzehnjährig als Geselle tätig war. Nach seiner Volontärzeit 1951/52 (sechs Monate) in Köln bei der Firma Klöckner-Humboldt-Deutz legte er 1954 seine Meisterprüfung ab. Leider nahm die Küstenmotorschifffahrt weiter ab, so daß der Betrieb nur mit deutlich reduzierter Belegschaft weiter-zuführen war. Dennoch wurde weiter in das Unternehmen investiert. 1980 wurde die letzte Baracke im hinteren Bereich der alten Werkstatt aufgrund eines Barackenräumprogramms der Regierung abgerissen und durch eine Stahlbau-Werkshalle mit Büro- und Umkleideraum sowie Wasch- und Duschraum ersetzt.

Das Firmenjubiläum zum 50. Jahr des Bestehens der Firma wurde am 2. April 1979 im Restaurant Fördeblick würdig gefeiert.

Der jüngere Sohn und Enkelsohn des Gründers, Wolfgang Stark, stieg 1983 als 3. Generation in die Firma, die in eine GmbH umgewandelt wurde, ein. Der Abwärtstrend in der Küstenschifffahrt setzte sich unvermindert fort, so daß sich die Firma auf die wenig lukrative Hobby- und Sportschifffahrt ausrichtete. Auch die Firma Deutz reduzierte die gepachtete Gebäudefläche erheblich, so daß das Obergeschoß Am Kai 12 an verschiedene Interessenten verpachtet wurde (u.a. Firma Elektro-Navigation ELNA). Die Firma Motoren-Petzold übernahm als Mieter 1994 dann schließlich die neue Stahlbau-Werkshalle, mußte aber bereits nach einem halben Jahr mangels Aufträgen wieder aufgeben.

Nach 69 Jahren erfolgte konsequenterweise die Schließung und Abmeldung der Firma Christian Stark GmbH. Ein Wahrzeichen der nordeuropäischen Küstenschifffahrt hörte auf, zu existieren, und ein Teil der industriellen Geschichte Holtenaus ging damit ebenfalls zu Ende. Die Küstenmotorschifffahrt wurde immer weniger, nach und nach verschwand der Kundenstamm der Firma häufig wegen Aufgabe des Schiffereibetriebs und Stilllegung der Kümos. Im Jahr 1998 wurde der Betrieb der Firma schließlich eingestellt, nachdem auch die alternativen Geschäftsmodelle, vorzugsweise in der Freizeitschifffahrt, nicht tragfähig genug waren und sich daher nicht lohnten. Außerdem war die alte Betriebsstruktur auf dieses Segment nicht eingerichtet und ließ sich auch nicht ohne finanzielles Risiko umstellen.

Bereits Anfang der 1970er Jahre sagte Krischan Stark voraus, daß die Küstenmotorschifffahrt in den nächsten 20 Jahren deutlich zurückgehen werde und sein Betrieb in diesem Bereich keine Zukunft mehr haben würde. Er plante mit seinem Sohn Karl-Heinz daher den Kauf eines Bauernhofs, den sie auch schon besichtigt hatten (dort, wo später der Golfplatz Habichthorst entstand). Die Idee kam aber nicht zur Ausführung, die Vorhersage traf aber zu: Der Niedergang der Küstenschifffahrt setzte Ende der 1970er Jahre verstärkt ein. Am Ende wurde die Firma Christian Stark GmbH 1998 aufgegeben und der Betrieb abgemeldet.

Die gesamten Gebäude wurden an den ehemalige Kapitän und späteren Immobilienmakler Becker, der auch unbedingt in der alten Werkstatt, die zum Wohngebäude hergerichtet war, am Wasser wohnen wollte. Er hatte die nötigen Finanzmittel, um notwendige Investitionen an allen Gebäuden vorzunehmen. Aufgrund seiner Makler-Expertise und der sich plötzlich entwickelten sehr guten Lage, die sich der Freizeithafen mittlerweile erworben hatte, war es ihm auch relativ leicht möglich, die Gebäudestruktur nach kräftigen Investitionen so zu wandeln, daß er verschiedene Teile sehr schnell lukrativ vermieten konnte. Der zunehmende maritime Freizeitgeist am Holtenauer Kai kam ihm in hervorragender Weise sehr entgegen und machte die Lage am Wasser teuer. Die begehrten Räume gingen an verschiedene Firmen und Institute. Es werden heute unter anderem Kosmetika aus Algen, Taschen aus Segeltuch sowie Bücher verkauft oder Segeltouren verchartert. Die Entwick­lung der Holtenauer Hafeneinfahrt führte zu einem touristischen Highlight, welches nicht nur in den Sommermonaten den Freizeit- und Chartersegelsport mit Traditions­segelschiffen betraf, sondern auch viele Spaziergänger anlockt.

Nach dem Tod von Herrn Becker wollten seine Erben die Immobilienverwaltung nicht fortführen und verkauften den gesamten Gebäudekomplex. Aus dem Wohnhaus wurde danach zunächst ein Eisverkauf, dann ein Restaurant!

Ein ähnliches Schicksal erlitt der Schiffsausrüster Herrmann Tiessen einige Jahre später. Sohn Günther Tiessen verkaufte sein Geschäft an einen Schiffsausrüster aus Kappeln. Der wollte Synergieeffekte nutzen, scheiterte aber kläglich und entließ überraschend etwa 30 Angestellte kurz vor Weihnachten. Aus dem Schiffsausrüster Tiessen wurde zunächst ein Tanzlokal, anschließend das Schiffer-Café.

Reederei Christian Stark

Es begann mit der "Fehmarn 3". Ein Kapitän Heitmann kam in den 50er Jahren mit seinem Schiff aus Dänemark und klagte über die schlechten Frachtraten. "Wul ju nich min Schipp hem? Kans ihm nich bruken?" Krischan Stark konnte alles gebrauchen und so wurde er Schiffsbesitzer. Die "Fehmarn 3" sollte zum Werkstattschiff ausgebaut werden, um Schiffe auf Reede, die nicht im Hafen anlegen konnten, zu reparieren. Dieser Plan war der Zukunft weit voraus gedacht, wurde aus Zeitmangel nie realisiert. Und so lag das Schiff viele Jahre am Bootssteg an der Holtenauer Kanalstraße. Später hat ein Marinesoldat die "Fehmarn 3" gekauft und nach Mannheim verschifft. Er wollte daraus ein Wohnschiff machen. Leider gibt es kein Bildmaterial zur "Fehmarn 3".

Schiff "Krischan Stark"

Abb.: Schiff "Krischan Stark".

Ein zweites Schiff folgte bald. Kapitän Knutzen überließ Ende der 50er Jahre sein Küstenmotorschiff MS "Dora" aus Altersgründen dem Maschinenbaumeister Krischan Stark, weil er auch die große Reparaturrechnung nicht begleichen konnte. Um mehr Tonnage zu erreichen, wurde das Schiff in einer Werft auseinander geschnitten, verlängert und an Steven und Achterschiff neu angepaßt. Das größere Schiff benötigte noch einen stärkeren Motor. Ein MAK-Motor wurde aus einem Schiffswrack ausgebaut, überholt, um eine aus Deutzmotoren selbstgebaute Auspuffanlage ergänzt sowie mit einem von Krischan Stark entworfenen und hergestellten Drucklager vervollständigt. Der Germanische Lloyd, der das umgebaute Schiff noch abnehmen mußte, hatte große Bedenken und wollte das Schiff nicht klassifizieren. Mit den Worten "ach machen Sie doch, was Sie wollen" setzte sich Krischan Stark gegen den "Schiffs-TÜV" durch und erhielt die Klasse. Nach dem Umbau erhielt das Schiff den Namen "Krischan Stark". Da es weiß angestrichen wurde – seinerzeit ein sehr seltener Schiffsanstrich – nannte man es auch "Weißer Schwan der Ostsee". Als Kapitän stellte er seinen Schwiegersohn Hans Behrens ein, der nun Frachten überwiegend zwischen Malmö oder Kalmar in Schweden sowie Kemi in Finnland und Elmshorn nahe der Elbe transportierte. Hauptsächlich bestand die Fracht aus Hölzern, die in der Papierfabrik in Elmshorn verarbeitet wurden.

Leider trat beim Umbau ein ungeklärter Fehler auf: Statt der errechneten zusätzlichen Ladekapazität von 100 BRT ergaben sich nur 30 BRT. Diese Erkenntnis gewann man erst, als in Dänemark Koks geladen werden sollte und zahlreiche Bahn-waggons stehen bleiben mußten, weil die Ladekapazität nicht ausreichte. In der Folge kam das Schiff zur Verlängerung um 10 m in eine andere Werft.

Schwierigkeiten gab es immer wieder mit dem reparaturanfälligen MAK-Motor, der schließlich in Eigenregie Am Kai in Holtenau gegen einen zuverlässigen, neuen DEUTZ-Motor ausgetauscht wurde.

Nach dem frühen Tod von Kapitän Hans Behrens übernahmen seine Söhne Jens-Uwe als Kapitän und Martin als Steuermann das Schiff. Bei abnehmenden Frachtraten lohnte sich der Schiffsbetrieb nicht mehr und die "Krischan Stark" wurde Ende der 60er Jahre nach Griechenland verkauft.

Durch einen Zufall, deren Ursache unbekannt ist, übernahm Krischan Stark vom Holtenauer Kapitän Ohl die MS "Anne Ohl". Das sehr gut erhaltene Schiff wurde mehrere Jahre an die dänische Reederei Nielsen und Breßling, die ein sehr guter Kunde der Firma Stark war, verchartert. Nach Beendigung des Chartervertrags erfolgte der Verkauf des Schiffes an den Holtenauer Kapitän Griebel.

3 Schiffe der Reederei

Abb.: 3 Schiffe der Reederei.

Ein letztes Schiff erweiterte den Bestand an Kümos. Die MS "Ostland", ehemals MS "Tina", hatte einen größeren Kurbelwannenschaden, so daß sich die Reparatur für den Reeder und Eigner nicht mehr lohnte. Da es für Krischan Stark nach dem Motto "geit nie, gift nie" kein Aufgeben gab, nahm er das Schiff in seine Hände, reparierte den Schaden und setzte es mit dem Kapitän Walter Wendt in Fahrt. Der fuhr in der Ostsee jahrelang ohne Probleme umher, der Motor lief wie ein Uhrwerk. Aufgrund des allgemeinen Schiffssterbens in den 60er und 70er Jahren war insbesondere das kleine Schiff nicht zu halten und wurde ebenfalls verkauft.

Quellenangaben:

Das Bildmaterial wurde aus Aufzeichnungen von Bert Morio (Internet: Geschichte Holtenau) übernommen oder sind Eigentum der Familien Karl-Heinz Stark und Ursula Diederich. Der Bericht basiert auf persönlichen Aufzeichnungen und Unterlagen von Karl-Heinz Stark(†) und Ursula Diederich(†).

Trotz umfangreicher Recherchen konnten in einigen Fällen die Urheber von Bildern nicht ermittelt werden. Der Autor bittet um Verständnis und Nachsicht, sollten Urheberrechte unbewußt verletzt worden sein.

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Autor: Prof. Dr.-Ing. Christian Stark
Schenefeld, 09. März 2023

Siehe auch:

© Bert Morio 2016 — Zuletzt geändert: 2023-04-05 - 09:28

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