Ein Holtenauer Kleinod ist die zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts errichtete Holtenauer Seebadeanstalt, die sich zwischen Bootshafen und Tonnenhof befindet. Sie war insbesondere in der ersten Jahrhunderthälfte ein integraler Bestandteil des Holtenauer Gemeindelebens. Bevor es die Holtenauer Seebadeanstalt gab, amüsierten sich die Holtenauer an ihrem eigenen Badestrand, von dem leider heutzutage nichts mehr erhalten ist.
Abb.: Im Hintergrund die Marinefunkstelle und der Wald Voßbrook.
Auf Initiative des Baurates Johannes Lütjohann, der von
1895 bis 1909 die Wasserbauinspektion Holtenau
leitete, wurde die Badeanstalt
im Jahre 1907 am Holtenauer Strand errichtet. Die Badeanstalt befand
sich auf dem Strand, der sich noch einige Meter weiter Richtung Wasser erstreckte. Durch
Ausbaggerungen am Tonnenhof wurde dieser jedoch im Laufe der Jahre
immer mehr weg gespült.
Nur kurze Zeit später wurde die Badeanstalt von Peter Heinrich Rober gepachtet und noch vor
dem Ersten Weltkrieg der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Rober war von
Beruf eigentlich Friseur und arbeitete nur als Sommerbademeister
.
Abb.: Die Seebadeanstalt 1913. Deutlich erkennt man die Trennwand für Männer und Frauen. Man sieht zudem, daß sich die Gebäude der Badeanstalt auf dem Ufer befanden und nicht wie heute auf Pfeilern.
Die Badeanstalt wurde eher von den besser gestellten Holtenauern besucht, während sich die
armen Leute
mit dem kleinen Holtenauer Strand begnügten.
Anfangs waren die Männer- und Damenabteilung durch große Holzwände streng voneinander abgetrennt,
dies änderte sich erst ab 1922. In einer Anzeige aus dem Jahre 1927 kann man folgendes lesen:
Familienbad Holtenau Fernspr. 207 – 15 Min. v. d. Kanalfähre – 3 Min. von der Dampferbrücke – Schönster Naturstrand in der Anstalt – Besonders geeignete Luft- und Sonnenbäder, allerhand Belustigungen, Reck, Barren, Ringe, Sprungturm, sportmäßg. 50=m=Startbahn, Wasser=Rutschbahn. 100 Badezellen. Geöffnet täglich von morgens 6 Uhr bis zum Dunkelwerden.
Die anfangs recht kleine Badeanstalt wurde durch Rober stark erweitert, so daß eine große U-förmige Anlage entstand, deren beide Seitenflügel jeweils 75 Meter in die Förde hinein ragten. Da diese beiden Flügel genau 50 Meter auseinander lagen, konnten zwischen ihnen Schwimmwettkämpfe stattfinden. Diese Wettkämpfe wurden von der 1922 gegründeten Schwimmsport-Abteilung des Holtenauer Turnvereins organisiert. Hier fanden vor allem in den 30er Jahren unzählige Schwimmwettkämpfe und Veranstaltungen statt.
Gab es anfangs nur ein Ein-Meter- und ein Drei-Meter-Brett, so war später auch das
10-Meter-Brett berüchtigt, dem manche Badehose zum Opfer fiel. Hier lernten vor allem Schulkinder
und Soldaten des Fliegerhorstes von Peter Rober das Schwimmen, der
aber selbst zeitlebens Nichtschwimmer blieb. Ganz ungefährlich war dieses jedoch auch nicht, denn
wenn … er vor Saisonbeginn einmal im Jahr ins Wasser stieg, um an der Rutsche das Seegras
mit der Sense abzumähen, achteten seine Enkel schon manchmal verstohlen darauf, dass er nicht von
einer Welle umgeworfen wurde.
In den 1950er Jahren wurde die im Zweiten Weltkrieg stark
heruntergekommene Badeanstalt durch durch den TuS Holtenau nach
Plänen der Firma Theiß & Will
wieder aufgebaut. Aber auch in den kommenden
Jahrzehnten kam es aufgrund der hohe Sanierungskosten und der mangelnden Rentabilität immer
wieder zu Plänen, die Badeanstalt zu schließen. So findet sich 1985 folgende Pressemeldung:
Jedes Kind würde sich bestimmt lieber Süßigkeiten kaufen, anstatt regelmäßig einen Groschen in ein Sparschwein zu schmeißen. Nicht so in Holtenau. Dort haben Kinder und Jugendliche den Sommer über das Sparschwein der Badeanstalt Holtenau gemästet.1
Aber bereits ein Jahrzehnt später — 1995 — mußte der öffentliche2 Badebetrieb in Holtenau aus Kostengründen eingestellt wurden.
Inzwischen wurde die Seebadeanstalt durch die Lighthouse Foundation
übernommen,
restauriert und weiter betrieben.
Abb.: Die
Seebadeanstalt in den 1960er Jahren. Im Hintergrund der Tonnenleger Bussard
am Anleger des
Tonnenhofes.[Magnussen, Friedrich (1914-1987)-(CC BY-SA 3.0 DE)]
Eine weitere Badeanstalt befand sich am Ostende der südlichen Schleuseninsel. Sie war jedoch den am Kanal Bediensteten und deren Familien vorbehalten und konnte folglich nur mit entsprechendem Ausweis betreten werden. Da der Weg zur Badestelle jedoch über die Alten Schleusen führte, mußte immer ein zumindest 16jähriger dabei sein.
Während der Brutzeit der Möwen war es gut, wenn man auf dem Weg einen Stock dabei hatte, um sich gegen die Attacken der aggressiven Tiere zur Wehr setzen zu können.
Kanal-Badbei Tannenberg
Eine weitere sehr beliebte Badegelegenheit gab es nach dem Zweiten Weltkrieg an der verwilderten Kanalinsel bei Tannenberg, die ein Überrest der Erweiterungsarbeiten von 1907-14 war und heute nicht mehr existiert..
© Bert Morio 2018 — Zuletzt geändert: 20-11-2018 15:27