Mit dem TV Holtenau 1909
wurde im Jahre 1909
jener Turnverein gegründet, der heute unter dem Namen Turn- und Sportverein Holtenau (kurz
TuS Holtenau
) zu den größten Sportvereinen der Stadt Kiel gehört und inzwischen
eine wichtige soziale Institution für den Stadtteil geworden ist.
Abb.: Eine Fahnendelegation des TV Holtenau
. In der Mitte mit Fahne mein Urgroßvater
R. H. Neumann — damals 2. Vorsitzender — und in der vorderen Reihe
ganz rechts mein Groß-vater Ernst Neumann.
Die Gründungsversammlung fand im November 1909 in der Waffenschmiede
statt und wurde nach Eintrag beim
Registergericht am 8. November am darauf folgenden Tag offiziell gefeiert. Dabei ging die erste
Initiative auf den Schuhmachergesellen Wilhelm Dettmer zurück, der für großes Aufsehen gesorgt
hatte, nachdem er — ohne jedes Training — bei einem 100-km-Marsch durch Holstein den 27. Platz
erreicht hatte und der daraufhin bei jeder Gelegenheit für die Gründung eines Holtenauer
Turnvereins geworben hatte.
Anwesend auf dieser ersten Versammlung waren:
Anfangs war der Turnbetrieb noch ein Provisorium, denn es gab weder eigene Turngeräte — die
leihweise von anderen Kieler Vereinen beschafft werden mußten — noch eigene Sportstätten, so daß
zunächst in der Gaststätte Zur Friedrichschleuse
,
am Ort der heutigen Gaststätte Waffenschmiede
am Friedrich-Voß-Ufer, und dann nach Abbruch der Gaststätte Zur
Friedrichschleuse
aufgrund der Kanalerweiterung
1907-14 in der damaligen Gaststätte Waffenschmiede
am Nixenweg geturnt werden mußte. Es wurde auch im großen Saal des
Hotel zur Hochbrücke
geturnt. Zudem wurde
im Freien in der Nähe des Tonnenhofes geturnt. Im Jahre 1912 wurde
die Fußball-Abteilung gegründet, andere Sportarten folgten teils erst viele Jahre später. Der
Verein wuchs innerhalb weniger Jahre auf mehrere Hundert Mitglieder an.
Abb.: Umzug zum Turnfest im Eekbrook — wahrscheinlich vor dem Ersten Weltkrieg.
Die Holtenauer Sportbewegung war in den 1920er Jahren in zwei politische Lager gespalten: Die
Freie Turnerschaft
, die der Sozialdemokratie verbunden war
und deren Schlachtruf frei Heil
lautete, und den Holtenauer
Turnverein
, der dem bürgerlichen Lager nahe stand und dessen Schlachtruf Gut
Heil
lautete.
Für die Holtenauer Fußballer stand in den ersten Jahrzehnten überhaupt kein eigener Fußballplatz zur Verfügung. Es wurde entweder auf dem Gelände des des Marineschießplatzes oder auf dem Gelände des heutigen Kinderspielplatzes am Eekbrook gespielt, denn erst in den Jahren 1928/29 wurde der alte Fußballplatz hinter der Schule angelegt.
Nicht nur die Kirchengemeinde Holtenau gedachte ihrer im Ersten Weltkrieg gefallenen Mitglieder, auch der TV Holtenau gab eine Gedenktafel für seine im Krieg gefallenen 16 Mit-glieder in Auftrag:
Unserem im Weltkriege 1914–1918 gefallenen Turnbrüdern zum ehrenden
Angedenken.
Der Turnverein Holtenau.
In einer besonderen Feierstunde wurde der Toten gedacht und den heimkehrenden Turnbrüdern ein schlichtes Eichenlaub überreicht. Die Ehrentafel befindet sich heute am neuen Vereinsheim am Nixenweg.
Gerade für den TV Holtenau wurde die Arbeit im Dritten Reich immer mehr erschwert, denn viele Holtenauer mußten in verschiedensten NS-Organisationen Dienst tun und standen damit der Vereinsarbeit nicht mehr im vollem Maße zur Verfügung. Gleichzeitig versuchte das Regime auch, den Einfluß der Vereine auf die Jugendarbeit zurück zu drängen, zum Beispiel durch eine Bestimmung aus dem Jahr 1935, die verfügte, daß Vereine nur noch dann Jugendliche unter 18 Jahren aufnehmen durften, wenn diese bereits einer NS-Jugend-Organisation angehörten — also bereits unter direktem Einfluß des NS-Regimes standen.
Wie sehr all diese verschiedenen Maßnahmen das bis dahin sehr reiche gesellschaftliche Leben der Holtenauer auslöschten, so daß daran auch in der Nachkriegszeit trotz des großen Bevölkerungszuwachses durch die Flüchtlinge nicht mehr angeknüpft werden konnte, beschreibt Paul Harste in seiner Vereinsgeschichte des TuS Holtenau:
Viele dieser kleinen Vereine, die sich die Pflege kultureller Aufgaben zum Ziel gesetzt hatten, stellten nach 1933 ihre Arbeit ein. Der Allmachtsanspruch der NS-Gewaltigen zerstörte viele kulturelle und volkstümliche Gemeinschaften, die sich auflösten oder aufgelöst wurden und auch nach dem Zusammenbruch des Jahres 1945 nicht wieder in Erscheinung traten.
Abb.: Gedenkstein für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen und die 79 im Zweiten Weltkrieg gefallenen oder durch Bombenangriffe getöteten Vereinsmitglieder.
Der von der Kanalverwaltung zur Verfügung gestellte dreieckige Granitblock aus dem Gestein der Levensauer Hochbrücke wurde am 30.05.1954 am alten Jugend- und Vereinsheim des TuS Holtenau am Groenhoffweg eingeweiht und im Zuge des Neubaus des Vereinsheimes im Jahr 1972 am Nixenweg aufgestellt. Er trägt die folgenden Inschriften:
"1914-1918" "1939-1945"
"ZUM GEDÄCHTNIS
AN UNSERE GEFALLENEN
TUS HOLTENAU v. 1909"
Der Wiederaufbau des Vereines begann am 6. Oktober 1945 mit der Neugründung des TuS Holtenau
im Restaurant Fördeblick
. Im Jahr 1971 wurde das
neue Vereinsheim des TuS Holtenau am Nixenweg gebaut.
Abb.: Tus Holtenau gegen den 1. FC Hama aus Norwegen auf dem alten Sportplatz am Groenhoffweg im Jahr 1961.
Abb.: Der Aufstieg in die 1. Amateurliga ist geschafft; damals die zweithöchste Spielklasse. Ganz links Paul Harste, hintere Reihe Zweiter von rechts Trainer Otto Pannier.
Abb.: Der alte Sportplatz und das Vereinsheim (links oben) am Groenhoffweg. Rechts der Neubau der Schule. [Magnussen, Friedrich (1914-1987)-(CC BY-SA 3.0 DE)]
Gustav Fiebrandt: 2. Vorsitzender und maßgeblich für die Jugendarbeit im TuS Holtenau und
des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbandes: Neben dem Posten des
2. Vorsitzenden beim zweitgrößten Kieler Verein, TuS Holtenau, bekleidet "Guschi" die
Funktion des Bezirks-Jugendobmannes, Staffelleiters der Landesliga Jugend B,
Kreisjugendtrainer, um nur einige zu nennen.
1
© Bert Morio 2018 — Zuletzt geändert: 24-05-2019 06:41
Kieler Nachrichten vom 17.06.1986. ↩