Das zunehmende Verkehrsaufkommen auf dem Kaiser-Wilhelm-Kanal und die
Entwicklung von deutschen Großkampfschiffen als Reaktion auf die 1905 in Dienst gestellten
englischen Schlachtschiffe vom Typ Dreadnought
1 zwangen auch das Deutsche Kaiserreich, bedeutend größere Schiffstypen
zu entwickeln, die ihrerseits bald eine Erweiterung des Kanals nötig machten, waren doch die
Schleusen zu klein, der Kanal zu flach und die Kurvenradien zu
eng.
Abb.:
Kanalerweiterung 1907-14. Auf diesem Bild, das anscheinend von der im Bau befindlichen Prinz-Heinrich-Brücke herunter photographiert wurde, kann man am
Holtenauer Ufer noch einen an das Ufer gedrehten Teil der Prahmdrehbrücke — einer Schwimmbrücke — erkennen, die sich auf Höhe
der späteren Gravensteiner Straße befand.
Die Kaiserliche Marine forderte, daß Kriegsschiffe mit bis zu 18.000 Tonnen den Kanal befahren konnten. Daher wurde beschlossen, die Breite des Kanals zu verdoppeln. Die Kurvenradien des Kanals wurden vergrößert und seine Linienführung verbessert. Zwischen Holtenau und Knoop wurde der ursprünglich weiter nördlich verlaufende Kanalbogen begradigt.
Abb: Der Kanalquerschnitt von 1895.
Abb: Der Kanalquerschnitt von 1914.
Das Kanalbett wurde auf über 103 Meter Breite und 11 Meter Tiefe erweitert und es mußten größere Schleusenkammern mit 330 m Kammerlänge, 45 m lichter Breite und 14,10 m Sohlentiefe gebaut werden. Die Neuen Schleusen werden am 14. Juni 1914 eingeweiht und waren zu dieser Zeit die größten Schleusen der Welt.
In Holtenau wurde die bisherige Schwimmbrücke (Prahmdrehbrücke) 1912 nach dreijähriger Bauzeit durch die Prinz-Heinrich-Brücke ersetzt, die durch den Ingenieur Friedrich Voß so konstruiert wurde, dass sie sowohl eine zukünftige weitere Erweiterung des Kanals ermöglichte als auch durch ihre im Gegensatz zu den bisher gebauten beiden Hochbrücken recht filigrane Bauweise eine geringere Anfälligkeit gegen feindlichen Beschuss aufweisen sollte. Sie wurde wegen Baufälligkeit bereits im Jahr 1992 abgerissen, während die massive Levensauer Hochbrücke immer noch steht.
Abb.: Linienschiffe in den Alten Schleusen.
Durch die Erdarbeiten bei der Kanalerweiterung kam es zum Versiegen vieler Holtenauer Brunnen, so daß 1912 die ersten Wasserleitungen verlegt werden mußten. Übergangsweise wurde in der Richterstraße ein auf einem Metallgerüst stehender Wasserbehälter errichtet, der vom Kanal her voll gepumpt wurde.
Abb.: Die Kaiserliche Jacht
SMY Hohenzollern
bei der Einweihung der Neuen Schleusen.
Die Erweiterung des Kaiser-Wilhelm-Kanals war noch nicht vollendet, da brach der Erste
Weltkrieg aus. Über die nach einen Vierteljahr Krieg immer noch nicht beendeten Arbeiten am Kanal
berichtete im März 1915 die in Brunsbüttel erscheinende Kanal-Zeitung
:
Der Abschluß der Arbeiten am Kaiser-Wilhelm-Kanal. Am 24. Juni 1914 wurde in Gegenwart des Kaisers der erweiterte Kaiser-Wilhelm-Kanal dem Verkehr übergeben und fünf Wochen später brach der Krieg aus. Das große Werk der Verbreiterung war also in dem selben Jahr vollendet, in dem der Kanal zum ersten Mal seinen großen strategischen Wert zu zeigen in der Lage war. Eins unserer größten Kriegsschiffe hatte kurz vor der Uebergabe des Kanals an den Verkehr die neue Wasserstraße passiert und damit die Wichtigkeit für unsere Flotte bekundet. Trotzdem werden auch noch im nächsten Etatsjahre zur endgültigen Fertigstellung aller Anlagen eine Reihe von Arbeiten auszuführen sein, für die der Reichsetat für 1915 von dem Restbeträge aus dem laufenden Jahr in Höhe von 15 Millionen Mark 13 Millionen bereitstellt. Die hauptsächlichen Arbeiten, die noch zum Abschlusse gebracht werden müssen, sind einmal die Marschbahnverlegung und der Bau der Hochdonner Hochbrücke, die Verbreiterung des Kanals östlich Rendsburgs, die Mole des Marinekohlenhofs in Holtenau und die Vertiefung des Kanalbettes an einzelnen Stellen auf die erforderliche Tiefe.
Einzelne Erweiterungsarbeiten am Kanal wurden auch noch in den kommenden Kriegsjahren durchgeführt, wobei u. a. auch russische Kriegsgefangene eingesetzt wurden. Einige Arbeiten — insbesondere an der Oststrecke — dauerten bis 1922; Restarbeiten zogen sich sogar noch bis in der Jahr 1924 hin.
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Versailler Vertrag wurde der
Kaiser-Wilhelm-Kanal 1919 zu einer internationalisierten Wasserstraße
erklärt:
Der Kieler Kanal und seine Zugänge sollen allen mit Deutschland im Frieden befindlichen Nationen für ihre Handels- und Kriegsschiffe gleichberechtigt frei- und offen stehen.
Im Jahr 1948 wurde der Kaiser-Wilhelm-Kanal schließlich in Nord-Ostsee-Kanal umbenannt.
Abb.: Das abgerissene und in
der Jaegerallee wieder aufgebaute Haus der Familie Vosgerau.
Der Kanalerweiterung fielen auch einige Häuser und Grundstücke am Holtenauer Ufer zum Opfer.
Die Häuser wurden abgerissen und teilweise an anderer Stelle wieder aufgebaut. Der
Gasthof zur Friedrichsschleuse
und Schmidts Gasthof
verschwanden für immer.
Die größten Landverluste erfolgten jedoch am Südufer des Kanals, denn hier wurden die gewaltigen
Neuen Schleusen gebaut, Dabei ging auch das Gebiet des ehemaligen Dorfes Freesendorf verloren.
Abb.: Holtenauer Panorama während der Kanalerweiterung. Hinten in der Mitte die Dankeskirche mit dem ursprünglichen hohem Kirchturm [+].
Abb.:
Ausbaggerung des Holtenauer Binnenhafens. Blick von der Prinz-Heinrich-Brücke. Im Hintergrund
sieht man den ursprünglichen Turm der Dankeskirche.
Abb.: Der ehemalige Kanalverlauf.
[Magnussen, Friedrich (1914-1987)-(CC BY-SA 3.0 DE)]
Hier noch 3 Illustrationen zum Thema aus dem Jahr 1906:
Während der Ausbau des Holtenauer Flugplatzes noch vor dem Zweiten
Weltkrieg vollzogen wurde, kamen die ehrgeizigen Pläne, auch den Kaiser-Wilhelm-Kanal und
insbesondere die Schleusen weiter auszubauen, durch den
Kriegsausbruch 1939 nicht mehr zur Ausführung. Grundlage waren die Pläne der Kriegsmarine für den
Bau gigantischer Schlachtschiffe jenseits der Größe von Schlachtschiffen wie der
Bismarck
oder Tirpitz
, aus denen dann auch folgerichtig Pläne für
eine Erweiterung des Kanals und der Schleusenanlagen entstanden. [weiter ...]
Abb.: Ausbaggerungen vor dem Polterberg bei
Knoop. [Magnussen, Friedrich (1914-1987)-(CC BY-SA 3.0 DE)]
© Bert Morio 2017 — Zuletzt geändert: 16-09-2017 12:42
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Dieser Schlachtschiffstyp war ein technologischer Quantensprung, mit dem beim Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals wohl niemand rechnen konnte. Diese Linienschiffe (=Schlachtschiffe) besaßen als Bewaffnung viel größere Kaliber als ihre Vorgänger, was wegen der nötigen Stabilität eine größere Schiffsbreite nötig machte. ↩