Viele Holtenauer Straßennamen mit bekannten Namen aus der Luftfahrt
wie die Richthofen-, Lilienthal- oder Immelmannstraße zeigen die besondere Bedeutung, die der
Flughafen Holtenau für die Entwicklung des Stadtteils hatte. Ist vom Holtenauer
Flugplatz
die Rede, dann ist immer zu bedenken, daß es in Holtenau sowohl einen
See- als auch einen Landflugplatz gibt; teilweise wird für den Landflugplatz auch vom
Fliegerhorst Holtenau
gesprochen. Die Eingliederung der Marineflieger in die Befehlsstruktur der Luftwaffe im Dritten Reich tat ihr Übriges.
Abb.: Auf dem
Holtenauer Flugplatz, der auch als
Flughafen Kiel-Voßbrook
bezeichnet wurde, im
Hintergrund der Wald Voßbrook.
Bereits 1914 wurden die Marineflieger (zur Zeit des
Kaiserreiches auch Seeflieger
genannt) von Danzig nach Kiel verlegt. Der
Marineflugplatz befand sich seit 1913 auf der Halbinsel Voßbrook,
einem Gelände, das aus dem Aushub des Kanalbaus aufgeschüttet
wurde.
Anfänge der Fliegerei gab es in Kiel bereits im Jahr 1908 als die Gebrüder Steffen aus
Kronshagen bei Kiel mit einem Hängegleiter experimentierten. Im Jahre 1908 fand in Kiel der
allererste Deutsche Flugtag statt. In den folgenden Jahren entwickelten die Brüder ein eigenes 32
Meter langes Prall-Luftschiff mit dem Namen Kiel 1
,
mit dem sie am 24. März 1910 einen ersten Flug durchführten.
Bald darauf wendeten sie sich jedoch wieder der Entwicklung von motorbetriebenen Flugzeugen
zu. Im Jahre 1910 gründeten sie nicht nur den Schleswig-Holsteinischen
Fliegerklub
(SHFK), sondern auch die erste Flugschule in in Schleswig-Holstein in
Kronshagen, an der auch Offiziere der Kaiserlichen Marine ausgebildet wurden.
Abb.: Auf
dem Nordmarksportplatz 1913. Flugzeug des Typs
Rumpler Taube
des Fliegers Karl Caspar.
Caspar war Lehrer und Freund des Seefliegers Friedrich
Christiansens. Im Ersten Weltkrieg war Caspar der Erste, der mit einer Flugmaschine
Kleinbomben über England abwarf.1
Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Fliegerei spielte auch der Admiral und Bruder Kaiser Wilhelm I. Prinz Heinrich von Preußen, selbst einer der ersten Flugscheinbesitzer in Deutschland und allen technischen Neuerungen gegenüber sehr aufgeschlossen.
Seit 1913 gab es einen Flugverkehr nach Kiel, wobei zunächst das Nordmarksportfeld als Flugplatz diente. Als dessen Größe nicht mehr ausreichte wurden zwischen 1924 und 1926 die Holtenauer Bauernkaten Diken, Distelrade und Eekbrook abgerissen, die Reste des Fort Holtenau abgetragen und das ganze hügelige Gelände planiert, so daß ein Flughafengelände von 90 Hektar entstand.
Abb.: Einweihung des Landflugplatzes im Juni
1928.
Mit dem Ende der militärischen Nutzung des Flugplatzes und der Eingemeindung Holtenaus im Jahr 1922 begann sich die Stadt Kiel für die zivile Nutzung des Geländes zu interessieren, so sollte das Gelände des Voßbrooks zur Industrieansiedlung genutzt werden. Also versuchte die Stadt das Gelände des Seeflughafens und sein Hinterland zu erwerben. Schließlich einigte man sich zwischen Stadt und Marine darauf Flächen zu tauschen. Das Gelände der ehemaligen Quarantäneanstalt ging an die Marine und das Hinterland des Seeflughafens plus einer Parzelle bei Seekamp an die Stadt.
Für die Stadt Kiel war der Erwerb von Uferflächen enorm wichtig, denn große Teile des Fördeufers befanden sich im Besitz der Marine,so daß es kaum Möglichkeiten gab, neue Hafenanlagen zu bauen. Daher sollte Stegelhörn als Hafen ausgebaut werden und auf dem Gebiet des Voßbrook Fein- und Veredelungsbetriebe angesiedelt werden.
Da der Bedarf für einen Landflughafen immer größer wurde, begann man 1925 mit der Einebnung des Geländes des ehemaligen Fort Holtenau, wobei 385.000 Kubikmeter Boden bewegt werden mußten. Weiterhin wurden neue Gebäude und Hallen errichtet. Der neue Zivilflughafen sollte der Stadt Kiel vor allem Flugverbindungen nach Hamburg, Flensburg und Westerland verschaffen.
Abb.: Das 1930
errichte Empfangsgebäude des Flughafens.
1927 wurde die Kieler Flughafengesellschaft
(KFG) gegründet und ein halbes
Jahr später der reguläre Flugbetrieb eröffnet. Bis 1939 befand sich das Empfangsgebäude des
Flughafens an der Herwarthstraße.
Im Gefolge der Weltwirtschaftskrise mußten die Pläne der Stadt Kiel zur Industrieansiedlung im
Kieler Norden, d. h. im Holtenauer Voßbrook, aufgegeben werden und
der Landflugplatz wurde im Jahre 1929 wieder an die Marine verkauft, die jedoch weiterhin einen
zivilen Flugverkehr zuließ. Die paramilitärische Tarnorganisation SEVERA
wurde noch im selben Jahr aufgelöst und das Personal und Material ging auf die Deutsche
Luft Hansa Abteilung Küstenflug
über.
Abb.: Piloten der SEVERA in
Holtenau.
Im Jahre 1934 verkaufte die Stadt Kiel zudem alles andere hier bisher erworbene Gelände wieder
an den Staat. Dies hatte gleichzeitig zur Folge, daß alle direkten Wegeverbindungen zwischen
Holtenau und Schusterkrug unterbrochen wurden. Das Gebiet bei
Stegelhörn wurde Kasernengelände, der Stegelhörner Hafen wurde
in Plüschowhafen
(siehe Gunther Plüschow)
umbenannt. In den Jahren 1934 bis 1938 wurde der zivile Flughafen zum Militärflugplatz
ausgebaut.
Abb.: Ernst Udet
(links) auf dem Flugplatz Holtenau, wahrscheinlich auf dem
Großflugtag
am
9.6.1929.
Das brachte den Bau neuer Siedlungen für das Militärpersonal und seine Angehörigen und auch die Ansiedlung neuen Gewerbes mit sich. Die politischen Veränderungen hatten auch große Auswirkungen auf das Holtenauer Vereinsleben, die Holtenauer Kirchengemeinde und die Arbeit der Seemannsmission. Ebenso traf es andere Organisationen, die in der Regel über kurz oder lang gleichgeschaltet oder verboten wurden.
In den 30er Jahren wurden in der Grimmstraße Gebäude für Angehörige des Flugplatzes gebaut,
der nicht zuletzt im Rahmen der Wiederaufrüstung
vergrößert wurde.
Von den 4.200 Einwohnern, die Holtenau im Jahre 1937 hatte, gehörten damals rund ein Viertel
der Luftwaffe an. Der Flugplatz wurde in den Jahren 1934–38 als Militärflugplatz auf seine
heutige Größe ausgebaut, d. h. das ganze nordwestliche Gebiet bis hin zur Boelckestraße wurde
Flughafengelände und damit waren alle direkten Straßenverbindungen zwischen Schusterkrug und Holtenau aufgehoben.
Das betraf unter anderen den so genannten Schwarzen Weg
, der vom Eekbrook bis
zur Schule Schusterkrug führte. Dafür wurde eine Straße vom Schusterkrug nach Stift geführt, so
daß die westliche Umgebung des Flugplatzes der einzige Weg zwischen Holtenau und Friedrichsort wurde. Die Holtenauer Bauern mußten für diesen Ausbau große Landflächen verkaufen und der
bäuerliche Charakter Holtenaus begann zu verblassen.
Abb.: Lufthansaflug in den 1930er Jahren in
Holtenau.
Bereits seit 1934 starteten von Holtenau aus Flugzeuge der deutschen Abwehr zu Aufklärungsflügen über Polen, getarnt als eine Erprobung von Höhenflügen. Als dem damaligen Reichswehrminister General Werner von Blomberg bei einer Inspektionsreise auf dem Flughafen Holtenau ein solches Spionageflugzeug gezeigt wurde, führte dieses zur Entlassung des damaligen Chefs des militärischen Geheimdienstes Kapitän z. S. Conrad Patzig.
Abb.:
Der Umbau der Dankeskirche im Jahr 1935. Der
ursprüngliche hohe Kirchturm wurde abgerissen und ein niedrigerer gedrungener Turm um seinen
Stumpf herum gebaut.
In Holtenau mußten neue Kasernen, Flugzeughallen und andere militärische Anlagen errichtet werden, dazu kamen Häuser für die Offiziere und Wohnungen für die anderen Wehrmachtsangehörigen. Die Dankeskirche verlor 1935 ihren ursprünglichen Kirchturm und am Ende der Immelmannstraße mußte das Haus Nr. 28 an die Stadt verkauft werden, weil es den Ausbauplänen des Holtenauer Flughafens im Wege stand.
Abb.: Auf dem Flugplatz im Mai
1945.
Für die Holtenauer hatten Vergrößerung von Flugplatz und Personalstärke verschiedenste Folgen.
Es wurde nicht nur der so genannte Grimmblock
für die Angehörigen der Luftwaffe
in der Grimmstraße errichtet, sogar ein eigener Luftwaffensportverein
wurde in
Holtenau gegründet. Im Stifter Wald wurde das Munitionslager
Barkmissen für den Fliegerhorst angelegt und über eine heute noch teilweise erhaltene
Betonstraße mit diesem verbunden.
Abb.:
Nach Kriegsende starten unter Aufsicht der Alliierten auf dem Flugplatz noch
Seenotrettungsflugzeuge vom Typ Dornier Do 24.
Während des Zweiten Weltkrieges waren Flugzeuge aus Holtenau im wesentlichen an den
Operationen gegen Dänemark und Norwegen beteiligt, z. B. bei Angriffen auf die Norwegische
Festung Oskarsborg. Es wurden auch Versorgungsflüge durchgeführt. Verschiedene Einheiten wurden
aufgestellt und dann an andere Kriegsschauplätze verlegt.
An Ende des Krieges landeten dann wieder viele Flugzeuge mit Evakuierten aus dem Osten auf dem
Flugplatz. Schließlich wurde der Flugplatz in den allerletzten Kriegstagen von den Briten
besetzt. Zur selben Zeit landete hier auch die amerikanische Life
-Photografin
Magaret Bourke-White mit nur einem Begleiter auf dem Flugplatz, worüber sie später in einem Buch
Dear Fatherland, Rest Quietly
.
Im April 1951 genehmigten die Alliierten wieder den
Segelflug in Deutschland und als im Mai 1955 auch der Motorflugsport erlaubt wurde bekam der
Luftsportverein Kiel
als erster deutscher Verein eine Ausbildungsgenehmigung. Im
Jahr 1955 wurde auch die Bundesmarine gegründet und bereits im folgenden Jahr wurde Holtenau
erneut zum Seefliegerhorst. Der zerstörte Holtenauer Flughafen wurde 1958 wieder aufgebaut, es
wurden neue Kasernen und große Flughallen für das Militär und die Zivilluftfahrt
errichtet.
Bereits Mitte der 50er Jahre gab es Pläne, das Flughafengelände in westliche Richtung zu
erweitern, was jedoch am Widerstand der Gemeinde Altenholz scheiterte. Bekannt über den Raum Kiel
hinaus wurde der Flugplatz Holtenau auch durch die Rettungseinsätze des
Marinefliegergeschwader 5
, kurz MFG 5.
Wie bereits in der Zwischenkriegszeit wurde der Flugplatz sowohl militärisch als auch zivil
genutzt. Im Jahre 1955 wurde auch die Flughafen Gesellschaft mbH
wiederbelebt und
der Zivilflugbetrieb von Holtenau aus begann erneut.
Die militärische Komponente wurde in den folgenden Jahren immer weiter ausgeweitet und in den folgenden Jahren immer wieder umstrukturiert bzw. umbenannt:
Zum 1.4.1957 wurde die 1. Marinefliegergruppe
in Kiel-Holtenau gegründet, es
folgten in kurzer Zeit weitere Verbände: Durch den Aufstellungsbefehl Nr. 77 vom 26.2.58 wurde
am 1.4.1958 die 2. Marinefliegergruppe
in Kiel-Holtenau gebildet.
Aufgrund internationaler Verpflichtungen mußte die Bundesrepublik ein System zur Rettung auf
Land und See (SAR = Search and Rescue) aufbauen — bis zum Dezember 1967 befand sich in Holtenau
auch die später nach Glücksburg verlegte SAR-Leitstelle. Deshalb wurde schon acht Monate nach
Aufstellung der 1. Marinefliegergruppe eine eigenständige Seenotstaffel
ins Leben gerufen,
deren Aufbau in Holtenau am 1. Januar 1958 durch Fregattenkapitän Seebens begann.
Durch den Umgliederungsbefehl Nr.1 vom 13.7.1959 wurde zum 16.07.1959 die 1.
Marinefliegergruppe
zum 1. Marinefliegergeschwader
(MFG 1), die
2. Marine-fliegergruppe
zum 2. Marinefliegergeschwader
(MFG 2)
und die Marine-Seenotstaffel
in die Marine-Dienst- und
Seenotgruppe
umgewandelt. Am 1.10.1961 wurde die Marine-Dienst- und
Seenotgruppe
in das Marine-Dienst- und Seenotgeschwader
umbenannt. Durch
den Teilaufstellungsbefehl Nr. 119 vom 12.8.1963 wurde in Kiel-Holtenau eine
Hubschrauber-Ujagdstafel mit der Bezeichnung Marinefliegergeschwader 4
(MFG 4)
aufgestellt. Schließlich wurde dann am 25.10.1963 das Marine-Dienst- und
Seenotgeschwader
in Marinefliegergeschwader 5
(MFG 5) umbenannt.
Zur Sicherung des Flugplatzes wurde im Juli 1964 dem Geschwader eine
Bodendienstverteidigungsstaffel
unterstellt, die später in
Marinesicherungskompanie
bzw. 1. Schwere Sicherungskompanie
umbenannt wurde, deren Hauptaufgabe es im Verteidigungsfall war, Angriffe von Land als auch aus
der Luft abzuwehren. Die Schwere Sicherungskompanie
wurde Ende 1990
aufgelöst.
Zum 15. August 1956 wurde in Kiel-Holtenau die Marineartillerieversuchsstelle
eingerichtet. Sie unterstand dem Marinewaffenkommando
/ Kommando der
Marinewaffen
bzw. der Inspektion der Marinewaffen
. Zwölf Jahre später
wurde wurde sie dann aber als Teileinheit des Kommandos für Truppenversuche der Marine nach
Eckernförde verlegt. Zu ihren Aufgaben gehörten unter anderem die Erprobung der
Artillerieeinrichtungen von Marinefahrzeugen nach Indienststellung, die militärische Erprobung
und Begutachtung neuen Artilleriegeräts der Marine als auch die Mitarbeit an
Neuentwicklungen.
Alliierte Seestreitkräfte Ostseezugänge(NAVBALTAP)
Im Januar 1957 wurde die NATO-Dienststelle des Oberbefehlshabers der Seestreitkräfte
der Ostsee
in Kiel auf-gestellt und schließlich nach einer kurzen Episode in
Flensburg-Mürwik im Jahre 1961 in das deutsch-dänische NATO-Kommando Alliierte
Seestreitkräfte Ostseezugänge
(NAVBALTAP) in Holtenau überführt, wo es bis zu seiner
Verlegung nach Karup in Dänemark im Jahre 1976 verblieb — geführt abwechselnd von einem deutschen
und einem dänischen Admiral.
Neben dem überregional bekannten MFG 5 waren in Holtenau noch die folgenden Einheiten stationiert:
Stab Marinefliegerdivision(seit 1956),
Stab Amphibische Gruppe(seit 1977),
Geophysikalische Meßzug Ostsee(seit 1957, danach gegründet als ballistischer Wetterzug),
und natürlich seit 1945 das Kiel Training
Centre
der Britischen Armee.
…
Im Jahr 1967 wurde der Flugplatz nochmals vergrößert, so daß dessen nördlicher Teil nun der Zivilluftfahrt zur Verfügung gestellt werden konnte während der südliche Teil weiterhin militärisch genutzt wurde. Es wurden der Tower und weitere Gebäude errichtet.
© Bert Morio 2018 — Zuletzt geändert: 30-09-2019
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Der erste deutsche Flieger, der Bomben vom Flugzeug aus abwarf, war Gunther Plüschow, der Flieger von Tsingtau
—
später Kommandant der Seeflugstation Holtenau. ↩