Seeflieger/ Marineflieger
Seit 1913 sind im Norden Holtenaus die kaiserlichen Seeflieger stationiert. Seine Keimzelle hatte der Flugplatz Holtenau auf dem Gebiet des Strandes Voßbrook, das 1889 durch das Militär gekauft worden war.
Abb.: Soldaten der I.
Seefliegerabteilung Holtenau auf dem Schießstand im Jahr 1910.
Dazu kam die in den Jahren 1913/14 aus dem Abraum der Kanalerweiterung aufgeschüttete Halbinsel Voßbrook mit einer Fläche von 300 mal 400 Metern, auf der eine provisorische Landebahn errichtet wurde, die bereits im Sommer 1913 zum ersten Mal benutzt werden konnte. In den Jahren davor fanden fliegerische Aktivitäten in Kiel vor allem auf dem Nordmarksportfeld statt.
Abb.: Im Hintergrund der Tonnenhof.
Am 3. Mai 1913 unterzeichnete Kaiser Wilhelm II. die Allerhöchste
Kabinettsorder als Gründungsurkunde für den Aufbau des
Seefliegerhorstes Kiel
. Im gleichen Jahr begann man
auf dem Voßbrooker Gelände mit dem Bau von Flugzeugschuppen,
Unterkünften sowie einer provisorischen Start- und Landebahn.
Damit bestand zwar die Möglichkeit, auch Landflugzeuge zu
verwenden, doch setzte die Marinefliegerei in der ersten Phase
ihrer Entwicklung ausschließlich auf Wasserflugzeuge, für die man
dort die nötige Infrastruktur schuf.
Abb.: Die Seeflugstation
Holtenau im Frühjahr 1914. Oben links mittig das Fort Holtenau, in der rechten Mitte die Quarantäneanstalt.
Die Seeflieger-Abteilung des Kaiserreichs war am 1. Juli 1913
gegründet worden und seit dieser Zeit in Putzig an der Danziger
Bucht stationiert. Eigentlich sollte in Holtenau neben Putzig nur
ein zweiter Seefliegerhorst entstehen, doch im Zuge des Ausbaus
des Stationsnetzes wurde am 5. Januar 1914 die Erweiterung der
Seefliegerstation Holtenau zur Mutterstation
für die
westliche Ostsee angeordnet.
Abb.: Der Seefliegerhorst
Holtenau. Im Hintergrund der Wald Voßbrook
mit der
Jeanettenhöhe
und das Dorf Holtenau.
Ein halbes Jahr später wurde mit der Kabinettsorder vom 27. Juni 1914 Fregattenkapitän Gygas beauftragt, die Marine-Fliegerabteilung von Putzig nach Holtenau zu verlegen. Am 29. August 1914 wurde die 1. Seefliegerabteilung mit 35 Flugzeugen in Dienst gestellt, ein regelmäßiger Flugbetrieb fand jedoch bereits seit Juni 1914 statt. Dazu kamen 28 Offiziere, 2 Ingenieure und 181 Unteroffiziere und Mannschaften. So wurde Holtenau zum Mittelpunkt des Fliegerwesens der Kaiserlichen Marine. Doch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war der Aufbau des Marinefliegerwesens noch lang nicht beendet:
Die Flugzeughallen bei Holtenau glichen einem Museum. Zwischen deutschen Rumpf- und Gitterschwanz-Flugzeugen standen die Erzeugnisse englischer, amerikanischer und österreichischer Fabriken. Die Entwicklung befand sich noch im allerersten Versuchsstadium.1
Bis in das Jahr 1915 konzentrierten sich die Marineflieger in der
I. Marineflieger-Abteilung
in Holtenau (I. MFA)
und die II. Marineflieger-Abteilung
in
Wilhelmshaven (II. MFA). Im September 1915 wurden beide in Seeflieger-Abteilungen
(SFA) umbenannt. Vorgesetzter beider Abteilungen — wie auch der Marineluftschiffs-Abteilung
— war der Befehlshaber der Marine-Luftfahr-Abteilungen
(BdL) Konter-Admiral Otto Phillip. Erst im Dezember 1916 erhielt
die Marineluftschiffs-Abteilung
einen eigenen
Oberbefehlshaber, den Führer der Marineluftschiffe
(FdL). Der Befehlshaber der Marine-Luftfahr-Abteilungen
(BdL) wurde umbenannt in Befehlshaber der
Marine-Fliegerabteilungen
(BdFlieg) und schließlich
im Juli 1917 in Marine-Flugchef
.
Abb.: Die Seeflugstation Holtenau.
Am 25. Juni 1914, d.h. kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges, hatte die Seeflugstation den ersten tödlichen Flugunfall zu verzeichnen, bei dem der damalige Kommandant Kapitänleutnant Walter Schroeter um Leben kam, der ertrank, nachdem sein Flugzeug aus 40 Meter Höhe abgestürzt war2. Schroeter hatte im Juni 1912 seine Pilotenlizenz erworben und war seit 1913 Kommandant der Seeflugstation Holtenau. Ein Gedenkstein in Holtenau erinnert heute noch an dieses Ereignis.
Kapt.-Ltn. Walter Schroeter ist am 25. Juni in Kiel tödlich abgestürzt - Kapt.-Ltn. Schroeter startete das erste Mal anläßlich der Parade der Marine-Wasserflugzeuge im Kieler Hafen auf einem vor kurzem von England gekauften Samuel White-Doppeldecker mit 200 PS Salmson. Kurz nach dem Start, stürzte der Doppeldecker aus 50 m Höhe herab. Nach einer Mitteilung soll der Flieger die Herrschaft über die Maschine verloren, nach einer anderen die Maschine übersteuert haben. Die wahre Ursache ist bis jetzt noch nicht ergründet. Im übrigen sei bemerkt, daß vor nicht allzu langer Zeit gleichfalls 2 englische Offiziere auf dem gleichen Maschinentyp tödlich abstürzten. In Kapt.-Ltn. Schroeter, früher auf der Station Putzig, z. Zt. Kommandant der Fliegerstation Kiel, verlieren wir einen der tüchtigsten und ältesten Marine-Fliegeroffiziere. Der Verlust wird überall sehr schmerzlich empfunden werden.3
Während des Ersten Weltkrieges überwachten die Seeflieger von Holtenau aus den Kleinen und den Großen Belt, um ein unbemerktes Eindringen britischer Seestreitkräfte in die Ostsee zu verhindern, gleichzeitig wurde hier der Nachwuchs für die Marinefliegerei ausgebildet. Ihren ersten Einsatzauftrag in diesem Zusammenhang erhielten die Holtenauer Seeflieger bereits am 3. August 1914 und nach mehreren Einsätzen konnte gemeldet werden, daß es keine britischen Marineeinheiten in dänischen Gewässern gab. Da Holtenau zu weit von den damaligen Kriegsschauplätzen entfernt lag, kam es in diesem Zusammenhang jedoch zu keinen kriegerischen Verwicklungen.
Abb.: In
der Motorenwerkstatt der Seefliegerabteilung im Dezember 1918 —
also bereits nach Kriegsende.
Die Seeflieger flogen jedoch nicht nur von Flugplatz Holtenau aus, sondern auch vom Nordmarksportfeld, auf dem bereits 1910 ein Flugplatz samt Luftschiffhalle angelegt worden war.
Während im Bereich der Nordsee und in Flandern die Kampfeinsätze geflogen wurden, blieb die Seeflugstation Holtenau die Zentralstation für Flugzeug- und Personalverteilung. Es herrschte hier ein intensiver Schulungsbetrieb. Holtenau war zudem Erprobungsstelle für neue militärische Ausrüstung. Nicht zuletzt auch aus diesem Grunde besuchte Prinz Heinrich von Preußen — selbst Inhaber einer Pilotenlizenz und immer an modernster Technik interessiert — oft die Seeflugstation Holtenau und ließ sich über Neuentwicklungen unterrichten.
So wurde beispielsweise erprobt mit dem den Abgasen des Motors
beigemischtem Ruß Schriftzuge an den Himmel zu schreiben. In ganz
Holtenau war bald nicht mehr genug Ruß in den Kaminen
aufzutreiben, so daß bei einer Präsentation vor hohem Besuch nach
Prinz Heinrich von Pr...
Schluss mit der
Luftmalerei war.
Abb.: Der Kommandant der
Seeflugstation Holtenau Gunther
Plüschow (hinten) mit der Kaiserin und Großadmiral Prinz Heinrich (links) im Jahr
1918.
Der Erste Weltkrieg führte zu einem rasanten Ausbau der Marinefliegerei: Bestand die Seeflieger-Abteilung der Kaiserlichen Marine zu Kriegsbeginn noch aus 31 Offizieren, 186 Unteroffizieren und Mannschaften sowie einem Flugzeugpark von 20 Maschinen, denen durch Beschlagnahme weitere 15 Maschinen hinzugefügt werden konnten, so wurden im Kriegsverlauf 2.500 Flugzeuge und 78 Luftschiffe in Dienst gestellt.
Bei Kriegsausbruch war ein Großteil der Flugzeuge aus zivilen Firmen requiriert worden: Tatsächlich handelte es sich aber bei nur zehn Maschinen um halbwegs brauchbare Seeflugzeuge. Nicht nur die Zahl der Flugzeuge wuchs rapide, auch der Personalbestand der Seeflieger wuchs während des Weltkriegs auf 16.000 Soldaten an. Auch die technische Entwicklung beschleunigte sich rasant.
Das Aufgabenspektrum der Seeflieger veränderte sich im Verlauf des Krieges zunehmend, denn waren es zum Beginn des Krieges ausschließlich Aufklärungszwecke, wurden bereits im Herbst 1914 Versuche mit Abwürfen von 4,5 bzw. 10 kg schweren Bomben gemacht und bereits 1916 begann man mit der Erprobung von Torpedoflugzeugen.
Abb.: Die Reste der abgebrannten
Flughalle, in der 16 Flugzeuge zerstört wurden.
Im Februar 1918 kam es auf dem Seefliegerhorst zu einem spektakulären Brand, verursacht durch einen explodierenden Benzinkocher, der zuerst die Tischlerei, dann die Waffenmeisterei, die Kammer mit Bereitschaftsmunition und schließlich die Telefonzentrale und eine Flugzeughalle (Halle I) erfaßte, wobei 16 Flugzeuge zerstört wurden. Nur der günstige Umstand, daß sich der Wind in letzter Minute nach See drehte, verhinderte die Explosion eines in zwei Meter Tiefe liegenden Tanks mit 30.000 Liter Benzin.
Abb.: Flugzeugabsturz
1918. Das Flugzeug startete am 24. Oktober 1918 mit 50.000
Kriegsanleihe-Postkarten an Bord, die über der Stadt Kiel
abgeworfen werden sollten, gewann aber nicht genügend an Höhe
und zerschellte auf dem Dach des Stabsgebäudes, dem späteren
Gebäude der Marinefliegerdivision.
Daß der Dienst auf der Holtenauer Seeflugstation alles andere als ungefährlich war, zeigt auch diese — wahrscheinlich noch unvollständige — Liste an tödlich verlaufenden Unfällen:
Daß sich die Unfälle in den letzten Kriegsjahren anscheinend häuften, mag Zufall sein, doch wenn man den Bericht des Zeitzeugen Rheinhold Rosenburg aus Kiel über die Zustände auf der Seefliegerstation in den letzten Kriegsmonaten liest, mag es einen Zusammenhang geben:
Die zunehmende Disziplinlosigkeit der Mannschaften und der zivilen Beschäftigten führten zu ansteigenden Diebstählen, die verstärkte Sicherheitsmaßnahmen erforderten. Auch die Sauberkeit ließ zu wünschen übrig, so dass für alle Mann am 4. Mai eine große Entlausungsaktion angesetzt wurde. Am 11. Mai herrschte ein reger Flugbetrieb. Alles was Flügel hat ist in der Luft! Seit langem kein Bruch - dafür heute nachgeholt: ein Flugzeug kam ohne Schwanz zurück, der in einer Rollkurve (?) abgebrochen war. Ein Flugzeug flog gegen eine schwimmende Dampframme in der Nähe von Halle III und riss sich das Tragdeck auf. Ein drittes Flugzeug flog beim Start gegen eine anrollende Maschine, beide zerschlugen sich die Tragdecks (Tragflächen). Und als Höhepunkt des Tages kam beim Anflug auf einem Verkehrsdampfer der NDC (Norddeutsche Dampferkompanie), was verboten war aber immer wieder gemacht wurde, bei der Anlegebrücke in Holtenau ein Flugzeug so tief, dass es mit dem Spannseil zwischen den Schwimmern den Knopf am Mast abriss. Der gleichzeitige Bruch des Seiles verhütete den Absturz. Zum Abschluss dieses turbulenten Tages wurde beim Justieren der beiden Maschinengewehre einer weiteren Maschine der Propeller 4 mal zerschossen. Es drängt sich die Frage auf, ob die Unfallhäufigkeit nun Folge einer mangelnden Ausbildung oder in Anbetracht des nahenden Kriegsendes die erforderliche Sorgfalt nicht mehr ausgeübt wurde.
Flieger von Tsingtau.
Flieger von Tsingtau.
Abb.: Zur
Erinnerung an den Motorenkursus der I. Seeflieger-Abteilung
Holtenau Ende 1918. Oben rechts im Hintergrund der Tonnenhof.
Nach dem verlorenen Weltkrieg verbot der Versailler Vertrag
Deutschland zwar den Besitz von Luftfahrtgerät
und forderte die völlige Zerstörung aller Flugzeuge und
Luftschiffe, trotzdem ging der Flugbetrieb auch auf dem Holtenauer
Seefliegerhorst zunächst noch weiter. In den beiden ersten
Nachkriegsjahren wurden sogar einige Flugzeuge wieder instand
gesetzt. So kam es noch am Juli 1920 zu einem Absturz mit 3 Toten,
den letzten Toten der 1. Seefliegerabteilung.
Im März 1920 kam es dann im Gefolge der Versailler Verträge zur
scheinbar endgültigen Zerstörung der letzten noch erhalten
gebliebenen 41 Militärflugzeuge, es sollten jedoch 2 Flugzeuge und
eine Reservemaschine erhalten bleiben. In Wirklichkeit konnte die
vollständige Zerstörung der Flugzeuge jedoch sabotiert werden,
obwohl deren Durchführung seitens der Alliierten genau
vorgeschrieben war. Es wurden Flugzeuge sorgfältig demontiert und
zwischen zerstörten Flugzeugen versteckt. Die Motoren wurden
ebenfalls zwischen zerstörten Flugzeugen verborgen und
konserviert. Insgesamt wurden in Holtenau bis zur Auflösung der
Flugstation und der 1. Seefliegerabteilung offiziell
41
Flugzeuge und 78 Motoren vernichtet. Die 1. See-Flieger-Abteilung
wurde nach dem letzten Appell am 9. September vor der Halle II am
15. September 1920 endgültig aufgelöst.
Abb.: Piloten und Flugzeuge der SEVERA. Diese als Versuchsabteilung
getarnte paramilitärische Organisation war nur eine von vielen,
die der zukünftigen Wiederaufrüstung dienten.
Erst im Jahre 1922 konnte nach einer Lockerung der
Vertragsbestimmungen von Versailles der Ausbildungsbetrieb der
Marineflieger unter ziviler Tarnung wieder aufgenommen werden. So
wurden in Holtenau auch weiterhin zukünftige Marineflieger
ausgebildet. Dies geschah unter dem Dach der 1926 gegründeten Seeflugzeug-Versuchs-Abteilung
(SEVERA), die zusammen mit der Deutschen
Luft Hansa
die bereits seit 1921 in Holtenau
ansässige Junkers Luftverkehr
bildete. So
entstand eine Tarnorganisation, die die Fortführung und
Weiter-entwicklung der Marinefliegerei sowie die schnelle
Wiederaufrüstung im Dritten Reich
ermöglichte.4
Abb.: Flugzeug der Firma Junkers zur
Zieldarstellung. Flugzeuge schleppten die Ziele an langen Seilen
hinter sich durch die Luft. Der Name
Krischan
bezieht
sich wohl auf den ehemaligen Holtenauer Seeflieger Friedrich Christian
Christiansen.
Demzufolge erhielten sowohl die Flugzeuge als auch die
Hallendächer der Holtenauer Seeflugstation die Aufschrift Luft
Hansa
. Der ehemalige Seeflieger aus dem Ersten
Weltkrieg Theodor Osterkamp
(*1892; †1975) war von 1931 bis 1933 Stationsleiter an der
Seeflugstation Holtenau der Luftdienst GmbH
, der
Nachfolgeorganisation der SEVERA.
Abb.:
Piloten der SEVERA auf der Seeflugstation Holtenau.
Flugzeuge der SEVERA flogen jedoch auch Seenoteinsätze mit wie
beispielsweise Jahre 1932 beim Untergang des deutschen
Segelschulschiffes Niobe
bei Fehmarn. Die ersten
offiziellen Seenoteinsätze wurden allerdings erst ab 1939
geflogen, als die Seenotbezirksstelle Ost
in
Holtenau eingerichtet worden war.
Abb.: Besuch des Riesenflugbootes Do-X in
Holtenau.
Die Seeflugstation Holtenau machte im Juli 1932 landesweite
Schlagzeilen als hier Claude Dorniers 12motoriges Riesenflugboot Dornier X
festmachte, das sich
auf einem Deutschlandflug befand. Flugkapitän der Do-X war Friedrich Christiansen,
ehemaliger Holtenauer Seeflieger und alter Kamerad des
Stationsleiters der Seeflugstation Theodor Osterkamp. An den 4
Besichtigungstagen kamen über 12.000 Besucher nach Holtenau um
dieses technische Wunderwerk zu bestaunen, das mit seinen
Dimensionen alles damals Vorstellbare sprengte.
Abb.:
Die Seeflugstation Holtenau in den 1930er Jahren. Links die
Villa Bock
, das ehemalige
Ärztehaus der Quarantäneanstalt
am Voßbrook.
Mit der Machtübernahme begann die — zunächst im Geheimen
durchgeführte — Wiederaufrüstung der Reichswehr. Als eine der
ersten fliegerischen Einheiten wurde bereits 1934 die Seefliegerstaffel
in Holtenau in Dienst gestellt; im Jahre 1935 folgte eine zweite
Seefliegerstaffel (Küstenjagdstaffel
) und 1936
eine Aufklärungsstaffel.
Abb.:
Auf dem Seefliegerhorst im Jahr 1937.
In Holtenau wurden auch Flugboote vom Typ Dornier 15 (Dornier Wal
J IId) eingesetzt. Die ersten Exemplare wurden 1933 unter der
Bezeichnung Militär-Wal 33
an die deutschen
Seeflieger geliefert. Am 01.03.1934 standen vier dieser Flugboote
im Dienst der Reichsmarine. Weitere 21 Flugboote folgten bis 1935
— dann wurde die Produktion eingestellt. Die Flugboote wurden als
Aufklärungsflugboote verwendet und kamen in der 2./KFlGr 206
Kiel-Holtenau (Küstenfliegergruppe
) zum Einsatz.
Abb.: Die
1.
Marinefliegerstaffel
mit Heinkel He 60 Maschinen im
Jahr 1936.
Die seit 1934 vorhandene Seenotrufzentrale Ost
wurde im Jahre 1939 mit der Seenotbezirksstelle Holtenau
offiziell eingerichtet. Holtenau gehörte zum Seenotbezirk
Ostsee
. Die erste Holtenauer Seenotstaffel
flog Wasserflugzeuge vom Typ Dornier 24. Die Seenotstaffel flog
nicht nur während des Krieges Rettungseinsätze über See, sondern
war in den letzten Kriegswochen auch an der Evakuierung von
Flüchtlingen aus Ostpreußen und Vorpommern beteiligt. Diese
Flugzeuge durften unter den Augen der Engländer sogar noch nach
der Kapitulation zu Rettungs- bzw. Evakuierungseinsätzen starten.
Im Jahr 1937 wurde Holtenau wiederum zum offiziellen Standort der Marineflieger, doch mit der Eingliederung der Marineflieger in die Luftwaffe am 27. Januar 1939 war die Geschichte der Marinefliegerei als eigenständige Waffengattung vorerst beendet.
Es wurden nach ihrer Aufstellung auf Rügen im August 1939 am
10.9.1939 in Holtenau mit der Trägergruppe 186
auch die ersten und einzigen deutschen Flugzeugträger-Staffeln
aufgestellt, die auf dem bei den Deutschen Werken in Kiel gebauten
Flugzeugträger Graf
Zeppelin
zum Einsatz kommen sollten.
Dabei handelte es sich um Flugzeuge der Typen Messerschmidt (Me Bf 109 B) und Junkers (Ju 87 B). Da die Graf Zeppelin jedoch wegen des Kriegsausbruchs nicht fertig gestellt wurde, kamen sie in dieser Form niemals zum Einsatz. Einsatzgebiete dieser Flugzeuge waren dann während des Krieges die Ost- und Nordsee, sowie Norwegen und Frankreich.
Gleich in den ersten Septembertagen des Zweiten Weltkrieges
flogen Flugzeuge dieser Einheiten Angriffe gegen polnische
Marineeinheiten und versenkten dabei den polnischen Zerstörer Wicher
und den Minenleger Gryf
.
Am 1. April 1937 wurde in Holtenau die Küstenfliegergruppe
406
aufgestellt, aber bereits im Juli 1937 jeweils
zur Hälfte in die Küstenfliegergruppe 706
und die
Bordfliegergruppe 196
eingegliedert. Im Oktober
1939 wurde die Einheit neu aufgestellt. Diese Einheit flog in den
Jahren 1939 und 1940 von Holtenau aus Einsätze im Seekrieg gegen
England und Einsätze über der Nordsee.
Am 1. Oktober 1937 wurde in Holtenau die 5. Gruppe der Bordfliegergruppe
196
stationiert. Dabei kamen Flugzeuge vom Typ
Heinkel He 60 und Arado AR 196 zum Einsatz, die auf Kriegsschiffen
mit Katapulten stationiert werden sollten. Diese Einheit war bis
April 1940 in Holtenau stationiert, dann noch einmal im September
1940. Die 2. Gruppe der Bordfliegergruppe 196 war wenige Tage im
August 1943 mit Flugzeugen des Typs Arado Ar 196 in Holtenau
stationiert, die 3. Staffel mit Flugzeugen desselben Typs war von
Oktober 1943 bis März 1944 hier stationiert — diese Staffel war
vor Kriegsbeginn in Holtenau mit 8 Tragschraubern (=Hubschrauber)
vom Typ FA 330 Bachstelze
und FL 282 Kolibri
aufgestellt worden, damit war diese Staffel die erste deutsche
Drehflüglereinheit.
Im November 1939 wurde in Holtenau die Küstenfliegergruppe
606
(Kampfgruppe 606) aufgestellt. Einige Staffeln
mit Flugzeugen vom Typ Dornier Do 17 Z waren hier bis Mitte Juli
1940 stationiert.
Abb.: Auch nach Kriegsende
durften in Holtenau noch Seenotrettungsflüge unter den Augen der
Besatzungsmacht starten.
Im April 1941 wurde in Holtenau die Seeaufklärungsgruppe
125
aufgestellt. Die 1. Staffel wurde mit Maschinen
des Typs Heinkel He 60 ausgerüstet, die 3. Staffel mit Maschinen
vom Typ Arado Ar 95W. Die 1. Staffel war von April 1941 bis Juni
1941 in Holtenau stationiert, die 2. Staffel mit Maschinen vom Typ
He 114 von Mai bis Juni 1941, die 3. Staffel von April bis Juni
1941.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Holtenauer Flugplatz vor allem für den Transport von Einsatzverbänden und als Operationsbasis für Einsätze in Norwegen genutzt. Flugzeuge aus Holtenau waren u. a. an folgenden Einsätzen beteiligt:
Im Rahmen der Besetzung Dänemarks und Norwegens wurde die 3. Seetransportstaffel mit 12 Schiffen und der 181. Infanterie-Division an Bord von Holtenau aus nach Oslo verlegt, wobei u. a. auch Flugbenzin für die Luftwaffe transportiert wurde.
Seit März 1939 waren in Holtenau auch die so genannten Flugbetriebsboote
als Arbeits- und Schleppboote für den Seefliegerhorst stationiert.
Dabei handelte es sich um 22,5 Meter lange Boote des Typs B
IV / Seeteufel IV
, die mit einem Schleppgeschirr und
leichter MG-Bewaffnung ausgerüstet waren und mit 8 Mann
Besatzung fuhren. Das Boot Nr. 411 wurde im Laufe des Krieges an
verschiedene Standorte verlegt und im Februar 1943 zwischen den
Inseln Borkum und Terschellig nach einem Fliegerangriff auf Strand
gesetzt, wobei ein Seemann ums Leben kam.
6 Jahre nach dem Ende
des Zweiten
Weltkriegs — im April 1951 — genehmigten die Alliierten
wieder den Segelflug in Deutschland und als im Mai 1955 auch der
Motorflugsport erlaubt wurde, bekam der Luftsportverein
Kiel
als erster deutscher Verein wieder eine
Ausbildungsgenehmigung.
Abb.: Auf dem Marinefliegerhorst. All
diese Gebäude auf dem Unterland
sind inzwischen abgerissen worden.
Im Jahr 1955 wurde auch die Bundesmarine gegründet und bereits im folgenden Jahr wurde Holtenau erneut zu einem Standort der Marinefliegerei. Das bekannteste der hier stationierten Geschwader war das Marinefliegergeschwader 5 (MFG 5), das im Jahr 2012 nach Nordholz verlegt wurde. [weiter … ]
© Bert Morio 2019 — Zuletzt geändert: 07-03-2019 16:13
Georg Paul Neumann: Die deutschen Luftstreitkräfte im Weltkriege, Berlin 1920, S. 119. ↩
Dieser Unfall passierte, als mehrere Flugzeuge und ein
Luftschiff die Kaiseryacht SMY Hohenzollern
bei ihrer Fahrt durch die Holtenauer Schleuse
umflogen. ↩
Flugsport 1914, Nr. 14, S. 601f. ↩
Auch die anderen Waffengattungen blieben in der Weimaer Republik nicht untätig und versuchten — beispielsweise durch Zusammenarbeit mit der damals ebenfalls international geächteten Sowjetunion — den Anschluß an die militärtechnische Entwicklung zu halten. ↩
Stuka = Sturzkampfbomber. ↩